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Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller
Autoren: Arno Strobel
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ich den Spielplatz, der von unserem Standort aus in seiner ganzen Breite einsehbar war. Er war nicht übermäßig groß; neben einem Gerüst, an dem zwei Schaukeln hingen, waren nebeneinander drei verschieden hohe Reckstangen angeordnet. Es gab zwei Holzfiguren – einen Hahn und eine Ente – auf dicken, metallenen Federn, auf denen auch die Kleinsten schaukeln konnten, und eine rote Rutsche. Die gelbe Farbe der Ente war an manchen Stellen abgeblättert, mit den dunklen Flecken sah sie aus, als hätte sie im Schlamm gebadet.
    Als die Tür geöffnet wurde, konnte ich beim Anblick von Petra Körprich kaum dem Drang widerstehen, sie tröstend in die Arme zu nehmen. In den Akten hatte ich gelesen, dass sie 32 Jahre alt war. Als ich sie das erste Mal gesehen hatte – es war am Morgen nach dem Tag, an dem ihr totes Kind gefunden worden war –, hatte sie bemitleidenswert ausgesehen, verheult, verzweifelt. In diesem Moment aber wirkte sie wie eine Fünfzigjährige. Ungeschminkt stand sie neben der geöffneten Tür, die langen, rötlichen Haare nur nachlässig hochgesteckt, so dass dünne Strähnen unordentlich herunterhingen. Ihr Gesicht war fahl und eingefallen, der Blick aus den grünen Augen erfüllt von geradezu kindlicher Hilflosigkeit. Ich wusste, sie wurde psychologisch betreut, und hoffte in diesem Moment inständig, dass der Arzt oder die Ärztin ihr würde helfen können.
    »Frau Körprich«, begann Menkhoff, und in seiner Stimme schwang dabei mehr Mitgefühl, als ich ihm zugetraut hätte. »Bitte entschuldigen Sie, dass wir Sie wieder belästigen müssen, aber wir haben eine Frage und wären Ihnen dankbar, wenn wir sie stellen dürften.« Sie nickte nur stumm und ging ein Stück zur Seite. Menkhoff hob die Hand. »Nein, nein, danke, wir lassen Sie gleich wieder in Ruhe.« Wieder ein wortloses Nicken. »Frau Körprich, kennen Sie Dr. Lichner? Er hat seine Praxis gleich da hinten, in dem gelben Haus.«
    Ihre Stirn runzelte sich. »Nein. Also … ich sehe ihn manchmal. Wir grüßen uns, aber … ich kenne ihn nicht. Warum?«
    Menkhoff betrachtete seine Schuhspitzen. »Ihre Nachbarin, die Frau Bertels … Sie hat ausgesagt, sie hätte ihn in den letzten Wochen ein paarmal dabei beobachtet, wie er Ihrer Tochter hier auf dem Spielplatz Süßigkeiten gegeben hat. Wissen Sie etwas davon?«
    Ihre Augen weiteten sich und wurden gleichzeitig feucht. »Süßigkeiten? Meine …? Aber wieso … nein, davon weiß ich nichts.« Sie klang jetzt aufgeregt. »Bitte, hat er was mit … mit Jules Tod zu tun?« Die Tränen schwappten über und zogen sich als zwei glänzende Linien über ihr schmales Gesicht. Sie tat mir unendlich leid.
    Menkhoffs Stimme wurde noch vorsichtiger. »Das können wir nicht sagen, Frau Körprich. Im Moment haben wir nur die Aussage Ihrer Nachbarin. Wir haben mit Dr. Lichner gesprochen, er bestreitet, Ihrer Tochter jemals etwas gegeben zu haben. Gab es Ihres Wissens einen Kontakt zwischen Juliane und ihm?« »Nein, ich weiß nichts von einem Kontakt.« Sie machte einen Schritt nach vorne und stand nun dicht vor meinem Kollegen. Die Finger beider Hände wanden sich dabei vor ihrem Bauch unentwegt umeinander wie kleine Schlangen. »Glauben Sie, es könnte sein, dass er …«
    Menkhoff machte eine beschwichtigende Geste. »Grundsätzlich kann man nichts ausschließen, aber alleine die Aussage von Frau Bertels rechtfertigt noch keinen ernsthaften Verdacht. Vor allem, wenn man bedenkt, dass sie uns nicht sagen kann, wann das gewesen sein soll. Sie ist nicht mehr die Jüngste … Danke, dass Sie unsere Fragen beantwortet haben.«
    »Wenn Sie etwas Neues … ich meine …«
    »Ja, wir informieren Sie. Natürlich. Auf Wiedersehen, Frau Körprich.«
    Sie zögerte, als hätte sie vergessen, was als Nächstes in ihrem Drehbuch stand, doch schließlich wandte sie sich um und ging ins Haus. Wir warteten, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann sagte Menkhoff mit wieder deutlich festerer Stimme: »Fahren wir zurück, Kollege. Wir werden herausfinden, wer gelogen hat. Frau Bertels oder der Herr Doktor.«

9
    22. Juli 2009
    Lichners Anwalt war nicht zu erreichen, und nachdem der Psychiater sich auch weiterhin beharrlich geweigert hatte, unsere Fragen zu beantworten, ließ Menkhoff ihn von Marco Egberts erst einmal in eine der Arrestzellen des Präsidiums sperren. Mittlerweile war es kurz vor neun, höchste Zeit für ein Telefonat mit Mel.
    Ihre Begeisterung darüber, dass ich noch im Präsidium
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