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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett
Autoren: Kathinka Wantula
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während Mansfield sich sofort an ihr vorbeidrängte. Er warf einen schnellen Blick in jede Ecke des Zimmers, aber es war niemand da. Langsam ging er zu Karen zurück, die abwartend an der Tür stand.
    »Sie kommen jetzt alleine klar?«, fragte er mit ernster Miene.
    Karen zwang sich zu einem matten Lächeln.
    »Ich hoffe es«, sagte sie. »Gute Nacht, Michael. Und Danke für alles.«
    Er zögerte kurz, dann nickte er und wandte sich dem Lift zu, während Karen hinter ihm die Tür verriegelte, sich gegen die Wand lehnte und ihr kleines Zimmer betrachtete.
    Was für eine Nacht.
    Sie stellte die Handtasche ab und ging ins Badezimmer, um sich das Gesicht zu kühlen. In dem kleinen Raum war es feucht und stickig, weil die Belüftungsanlage nicht richtig arbeitete und nur ab und zu mit lauten Knackgeräuschen ansprang.
    Karen ließ das kalte Wasser über ihre Hände laufen und bemerkte mit leisem Grauen, dass ihre Finger zitterten. Der Schreck des Überfalls saß ihr doch noch in den Knochen.
    Die Augen des Fremden. Wie glühende Kohlen hatten sie in der Dunkelheit geleuchtet, und pure Mordlust hatte aus ihnen gesprochen. Aber warum? Was hatte sie ihm getan? Oder ging es vielleicht doch nur um ihre Handtasche? Noch während sie sich dies fragte, kam aus dem Zimmer ein lautes Krachen, als ob jemand das Fenster aufgestoßen hätte und hereingesprungen wäre.
    War der fremde Mann ihr gefolgt?
    Hastig verriegelte sie die Badezimmertür und griff in die Jackentasche. Erleichtert fühlte sie das kalte Blech der Reizgasdose in ihrer Hand, holte sie heraus und zielte auf die Badezimmertür. Der Fremde würde es ein zweites Mal zu spüren kriegen, wenn er hereinkäme.
    Karen verschanzte sich in die hinterste Ecke, stieg in die leere Badewanne und wartete. Mit zitternder rechter Hand hielt sie die Dose in Richtung Tür, während die andere Hand an den glatten Wandfliesen vergebens nach Halt suchte. Karens Augen fixierten ängstlich den Türgriff. Der Unbekannte würde sicher gleich daran rütteln und die Tür aufbrechen.
    Sekunden vergingen wie eine Ewigkeit. Nur mit Mühe konnte sie sich aufrecht halten. Es war nichts zu hören, kein Trampeln, kein Rufen, kein Rütteln an der Tür.
    Plötzlich zuckte Karen zusammen, aber es war nur die kaputte Lüftung, die mit lautem Knacken ansprang. Draußen blieb es ruhig. Hatte sie sich getäuscht? Waren ihr die Nerven durchgegangen?
    Langsam kroch sie aus der Ecke hervor, schlich zur Badezimmertür und horchte an ihr. Nein, im Zimmer war alles ruhig.
    Karen sah sich in dem kleinen Raum um. So hatte sie sich die erste Nacht in Paris nicht vorgestellt – in einem stickigen Badezimmer mit einer kaputten Lüftung und einem Reizspray in der Hand. Sollte sie hier drinnen die nächsten Stunden abwarten? Oder hätte der fremde Mann nicht inzwischen die Badezimmertür aufgebrochen, wenn er sie dort vermutete?
    Sie haderte mit sich selbst. Einerseits wollte sie hier nicht stundenlang eingeschlossen sein, andererseits hatte sie Angst, diesen sicheren Ort zu verlassen. Schließlich nahm sie allen Mut zusammen und entriegelte leise das Schloss. Dann riss sie die Tür auf, wirbelte herum und starrte atemlos, aber kampfbereit mit dem Reizspray in der Hand zum Fenster.
    Es war niemand zu sehen.
    Ein kalter nächtlicher Regenschauer hatte das Fenster aufgestoßen und dicke Regentropfen ins Zimmer hereingetrieben, während Apollon, den sie wieder aufs Fensterbrett gestellt hatte, zerschmettert auf dem Boden lag und sie aus traurigen Augen ansah.
    Nur langsam beruhigte sich Karens Herzschlag. »Du warst es«, sagte sie zu der Porzellanfigur, während sie schnell die beiden Flügelfenster schloss und die Gardinen zuzog. »Armer Kerl.« Sie hob den Gott des Lichts auf und legte ihn vorsichtig auf das schmale Fensterbrett zurück. »Du hast mich ganz schön erschreckt.«
    Ihr Blick streifte die Gardinen über der Figur, und Karen ging durch den Kopf, dass das Fenster sehr einfach von außen zu öffnen war. Was ist, wenn der Fremde es versucht und du hier ganz allein im Zimmer bist?
    Dann wanderte ihr Blick vom Fenster zum Bett, von dort zur Zimmertür, die jeder Mann mit einem gezielten Fußtritt aufbrechen könnte, und blieb schließlich am Telefon hängen. Es schien sie magisch anzulächeln. Sollte sie Laurent anrufen? Der Kommissar hatte ihr seine Visitenkarte gegeben. Karen zog sie aus der Jackentasche. Aber was sollte sie ihm sagen? Dass sie Angst bekommen hatte? Und was konnte er für sie tun? Er würde
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