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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
Autoren: Charles Bukowski
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früher hat sie das immer gemacht«, meinte ich. »Gib Pfötchen!«
    Shipkey hatte dem Mann auch noch gesagt, ich würde mit den Vögeln reden.
    »Na los! Gib Pfötchen!«
    Langsam kam ich mir blöd vor.
    »Jetzt komm ! Pfötchen!«
    Ich beugte mich zu der Katze runter, legte meinen Kopf an ihren und hängte mich voll rein.
    »Gib Pfötchen!«
    Die Katze saß nur da.
    Ich setzte mich wieder hin und griff zu meinem Käsebrot.
    »Katzen sind komische Tiere, Mr Burnett. Man steckt nicht drin. Millie, legst du mal Tschaikowskis Sechste auf für Mr Burnett?«
    Wir lauschten der Musik. Millie kam rüber und setzte sich auf meinen Schoß. Sie hatte nur ein Nachthemd an. Sie lehnte sich an mich. Ich hielt das Brot zur Seite.
    »Achten Sie mal darauf«, sagte ich zu Mr Burnett, »wie in dieser Sinfonie die Marschbewegung ins Spiel kommt. Für mich ist das einer der schönsten Sätze in der ganzen Musik. Nicht nur schön und kraftvoll, sondern auch perfekt im Aufbau. Man spürt, welche Intelligenz da am Werk ist.«
    Die Katze sprang dem Mann mit dem Ziegenbart auf den Schoß. Millie schmiegte ihre Wange an meine und legte mir die Hand auf die Brust. »Wo warst du, Spatz? Du hast Millie gefehlt, weißt du?«
    Die Platte war zu Ende, und der Mann mit dem Ziegenbart nahm die Katze vom Schoß, stand auf und drehte die Platte um. Er hätte die andere Scheibe aus der Hülle nehmen sollen. Wenn er die erste umdrehte, kamen wir zu schnell zum Höhepunkt. Aber ich sagte nichts, und wir hörten sie zu Ende.
    »Gefällt sie Ihnen?«, fragte ich.
    »Ausgezeichnet! Ganz ausgezeichnet!«
    Er hatte die Katze auf dem Fußboden.
    »Gib Pfötchen! Gib Pfötchen!«, sagte er zu ihr.
    Die Katze gab Pfötchen.
    »Da«, sagte er. »Die Katze gibt mir Pfötchen.«
    »Gib Pfötchen!«
    Die Katze wälzte sich auf den Rücken.
    »Nein, gib Pfötchen ! Gib Pfötchen !«
    Die Katze saß nur da.
    Er ging mit dem Kopf zum Kopf der Katze runter und sprach ihr ins Ohr. »Gib Pfötchen!«
    Die Katze langte ihm mit der Pfote in den Bart.
    »Sehen Sie? Sie gibt mir Pfötchen!« Mr Burnett schien sich zu freuen.
    Millie drückte sich ganz an mich. »Küss mich, Spatz«, sagte sie. »Küss mich.«
    »Nein.«
    »Du lieber Gott, Spatz, fängst du an zu spinnen? Was hast du denn? Ich merk doch, dass dich heute Abend was bedrückt! Erzähl es deiner Millie! Du weißt, dass Millie für dich durch die Hölle gehn würd, Spatz! Wo drückt der Schuh, hm?«
    »Jetzt mach ich, dass die Katze sich auf den Rücken wälzt«, sagte Mr Burnett.
    Millie schlang fest die Arme um mich und blickte in mein emporgerichtetes Auge. Sie sah sehr traurig und mütterlich aus und roch nach Käse. »Sag Millie, was du hast, mein Spatz.«
    »Auf den Rücken!«, sagte Mr Burnett zu der Katze.
    Die Katze saß nur da.
    »Millie«, sagte ich zu Millie, »siehst du denn Mann da?«
    »Klar seh ich den.«
    »Nun, das ist Whit Burnett.«
    »Wer?«
    »Der Zeitschriftenmann. Dem ich meine Stories schicke.«
    »Also der, von dem du immer die Winzbriefe kriegst?«
    »Ablehnungsbescheide, Millie.«
    »Na, der ist doch gemein. Den mag ich nicht.«
    »Auf den Rücken!«, sagte Mr Burnett zu der Katze. Die Katze wälzte sich auf den Rücken. »Da!«, rief er. »Sie hat sich auf den Rücken gewälzt! Wie viel wollen Sie für die Katze? Die ist fabelhaft!«
    Millie schlang die Arme fester um mich und schaute mir in die Augen. Ich war ganz hilflos. Ich kam mir vor wie ein noch lebender Fisch auf Eis hinter der Metzgertheke am Freitagmorgen.
    »Hör zu«, sagte sie, »den krieg ich schon dazu, dass er eine Geschichte von dir druckt. Ich kann machen, dass er sie alle druckt!«
    »Sehen Sie mal, wie sich die Katze vor mir auf den Rücken wälzt!«, sagte Mr Burnett.
    »Nein, nein, Millie, das verstehst du nicht. Herausgeber sind anders als müde Geschäftsleute. Herausgeber haben Skrupel !«
    »Skrupel?«
    »Skrupel.«
    »Auf den Rücken!«, sagte Mr Burnett.
    Die Katze saß nur da.
    »Mit den Skrupels kenn ich mich aus! Mach dir darüber keine Gedanken, Spatz. Den krieg ich dazu, dass er deine ganzen Geschichten druckt.«
    »Auf den Rücken!«, sagte Mr Burnett zu der Katze. Nichts geschah.
    »Nein, Millie, das kommt nicht in Frage.«
    Sie hatte sich völlig um mich gewickelt. Ich kriegte kaum Luft, und sie war ziemlich schwer. Ich merkte, wie mir die Füße einschliefen. Millie drückte ihre Wange an meine und streichelte mir über die Brust. »Da hast du gar nichts zu melden, Spatz!«
    Mr Burnett
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