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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
Autoren: Charles Bukowski
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neigte den Kopf zum Kopf der Katze hinunter und sprach ihr ins Ohr. »Auf den Rücken!«
    Die Katze langte ihm mit der Pfote in den Bart.
    »Ich glaube, die Katze möchte was zu fressen«, sagte er.
    Damit hockte er sich wieder auf seinen Stuhl. Millie ging zu ihm und setzte sich auf sein Knie.
    »Wo haben Sie denn das schnuckelige Ziegenbärtchen her?«, fragte sie.
    »Entschuldigen Sie mich«, sagte ich, »ich geh mir ein Glas Wasser holen.«
    Ich ging und setzte mich in die Frühstücksecke und betrachtete das Blumenmuster auf dem Tisch. Ich versuchte es mit dem Fingernagel abzukratzen.
    Millies Liebe mit dem Käsehändler und dem Schweißer teilen zu müssen war schon schwer genug. Millie mit den gemeißelten Hüften. Verdammt und zugenäht.
    Ich blieb da eine Weile sitzen, dann zog ich den Ablehnungsbescheid aus der Tasche und las ihn noch einmal. Die Faltstellen wurden langsam schmuddlig braun und rissig. Statt ihn immer wieder zu lesen, legte ich ihn am besten in ein Buch ein wie eine Rosenblüte.
    Ich ließ mir durch den Kopf gehen, was drinstand. Das Problem hatte ich schon immer. Schon am College neigte ich der krausen Schwermut zu. Die Shortstory-Lehrerin lud mich eines Abends zum Essen und zu einer Veranstaltung ein und hielt mir einen Vortrag über die Schönheiten des Lebens. Ich hatte ihr eine Story von mir gegeben, in der ich als die Hauptfigur abends an den Strand ging und im Sand über die Bedeutung von Jesus nachdachte, den Sinn des Todes, den Sinn und die Vollkommenheit und den Rhythmus in allem. Mitten in meine Gedankengänge platzt dann ein triefäugiger Penner und kickt mir Sand ins Gesicht. Ich rede mit ihm, spendiere ihm eine Flasche, und wir trinken zusammen. Wir müssen kotzen. Anschließend gehen wir in einen Puff.
    Nach dem Essen klappte die Shortstory-Lehrerin ihre Handtasche auf und holte meine Strandgeschichte heraus. Sie schlug sie etwa in der Mitte auf, wo der triefäugige Penner auftaucht und der Sinn Jesu sich verabschiedet.
    »Bis dahin«, sagte sie, »bis dahin war das sehr gut, richtig schön.«
    Dann warf sie mir einen bösen Blick zu, wie ihn nur mit Kunstverstand begabte Menschen draufhaben, die irgendwie zu Rang und Geld gekommen sind. »Aber ich muss doch sehr, sehr bitten«, sie tippte auf die zweite Hälfte meiner Story, »was zum Teufel hat denn dieser Kram da verloren?«

    Länger konnte ich nicht wegbleiben. Ich stand auf und ging in das vordere Zimmer.
    Millie hatte sich um ihn herumgewickelt und schaute in sein emporgerichtetes Auge. Er guckte wie ein Fisch auf Eis.
    Millie dachte wohl, ich wollte mit ihm über redaktionelle Fragen reden.
    »Entschuldigen Sie mich, ich muss mir die Haare kämmen«, sagte sie und ging aus dem Zimmer.
    »Nettes Mädchen, nicht wahr, Mr Burnett?«, fragte ich.
    Er setzte sich ordentlich hin und zog seinen Schlips zurecht. »Verzeihung«, sagte er, »warum sagen Sie immer ›Mr Burnett‹ zu mir?«
    »Heißen Sie denn nicht so?«
    »Ich heiße Hoffman. Joseph Hoffman. Ich bin von der Curtis-Lebensversicherung. Ihre Postkarte hat mich zu Ihnen geführt.«
    »Ich habe Ihnen doch gar keine Karte geschrieben.«
    »Wir haben aber eine von Ihnen erhalten.«
    »Das kann nicht sein.«
    »Sind Sie denn nicht Andrew Spickwich?«
    »Wer?«
    »Spickwich. Andrew Spickwich, 3631 Taylor Street.«
    Millie kam wieder und wand sich um Joseph Hoffman herum. Ich brachte es nicht über mich, sie aufzuklären.
    Leise schloss ich die Tür hinter mir, ging die Treppe hinunter und raus auf die Straße. Ich wanderte ein Stück den Block entlang, dann sah ich, dass das Licht ausging.
    Wie der Teufel lief ich zu meiner Bude in der Hoffnung, dass in der Riesenflasche auf dem Tisch noch ein Rest Wein war. Allerdings rechnete ich nicht damit, so viel Glück zu haben, denn dafür bin ich zu sehr das Epos eines bestimmten Menschenschlags: krause Schwermut, unpraktisches Denken und unterdrückte Begierden.

20 Tanks aus Kasseldown
    Er saß in seiner Zelle, trommelte mit den Fingern auf der Flasche und dachte: Dass sie mir die Flasche gegeben haben, war ja sehr anständig. Es fühlte sich gut an, mit leicht gespreizten Fingern auf dem Glas zu trommeln, kühl und sauber. So kannte er das vom Whiskey; der machte das Leben erträglich, nahm ihm die Spitze, war gut für rastlose Geister: er räumte im Kopf auf, schaltete ihn runter und brachte ihn spürbar zur Ruhe.
    Eine Schabe huschte zackzack über den Fußboden und hielt zack vor einem seiner Schuhe an. Sie hielt still,
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