Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Weihnachten des Mr Scrooge

Das Weihnachten des Mr Scrooge

Titel: Das Weihnachten des Mr Scrooge
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
Geist in weißer Weste, der eine ungeheure eiserne Kasse am Knöchel trug, war er ganz vertraut gewesen; dieser schrie jämmerlich, weil er einem elenden Weib nicht beistehen konnte, das er mit einem Kind tief unten auf einer Türschwelle hocken sah. Die Pein aller bestand offensichtlich darin, daß sie sich sehnten, menschliches Elend zu mildern, und doch die Kraft dazu für immer verloren hatten.
    Ob diese Gebilde in Nebel zerflossen oder ob sie der Nebel verhüllte, konnte Scrooge nicht sagen; aber sie und ihre geisterhaften Stimmen verschwanden gleichzeitig, und die Nacht wurde wieder, wie sie bei seiner Heimkehr gewesen war.
    Scrooge schloß das Fenster und untersuchte die Tür, durch die der Geist eingetreten war; sie war doppelt verschlossen, wie er es mit eigener Hand getan hatte, und die Riegel waren unversehrt. Er versuchte zu sagen: Possen! hielt aber bei der ersten Silbe inne. Und da er wegen der überstandenen Aufregung oder wegen der Mühen des Tages oder wegen seines Einblicks in die Welt des Unsichtbaren oder wegen der trübseligen Unterhaltung mit dem Gespenst oder wegen der späten Stun
de sehr ruhebedürftig war, ging er sofort zu Bett, ohne sich auszukleiden, und fiel augenblicklich in tiefen Schlaf.

Zweite Strophe
    Der erste der drei Geister
    Als Scrooge erwachte, war es so dunkel, daß er, aus dem Bett blickend, kaum das durchsichtige Fenster von den undurchsichtigen Wänden seines Schlafzimmers zu unterscheiden vermochte. Er bemühte sich, mit seinen Luchsaugen die Dunkelheit zu durchdringen, da schlug die Uhr einer benachbarten Kirche vier Viertel; er hörte also den Schlag der vollen Stunde.
    Zu seinem größten Erstaunen schlug die schwere Glocke sechs-, dann sieben-, dann achtmal und so fort bis zwölf; dann hielt sie inne. Zwölf Uhr! Es war zwei Uhr vorüber gewesen, als er zu Bett gegangen war. Die Uhr mußte falsch gehen – ein Eiszapfen war wohl ins Werk geraten. Zwölf Uhr!
    Er drückte auf die Feder seiner Repetieruhr, um die voreilige Glocke zu widerlegen: ihr kleiner rascher Puls schlug zwölfmal und hielt dann inne.
    »Nein, es ist unmöglich, daß ich den ganzen Tag durch und tief bis in die andre Nacht hinein geschlafen habe!« rief Scrooge. »Es ist aber auch nicht möglich, daß der Sonne etwas zugestoßen und es jetzt zwölf Uhr Mittag ist.«
    Da ihn dieser Gedanke beunruhigte, sprang er aus dem Bett und tastete sich zum Fenster. Er mußte erst mit dem Ärmel seines Schlafrockes den Reif wegreiben, ehe er etwas sehen konnte, und selbst dann sah er nur sehr wenig. Alles, was er feststellen konnte, war, daß es noch recht neblig und ausnehmend kalt war und daß kein Geräusch von hin und her eilenden Schritten zu hören war, wie es unbedingt der Fall gewesen wäre, wenn der helle Tag die Nacht schon vertrieben und von der Welt Besitz genommen hätte. Dies war für ihn ein großer Trost; denn das »drei Tage nach Sicht zahlen Sie gegen die
sen Primawechsel an Herrn Ebenezer Scrooge oder dessen Ordre« und so weiter hätte ihm nur eine Sicherheit gleich der in den Vereinigten Staaten geboten, wenn man die Zwischentage nicht zählen konnte.
    Scrooge legte sich wieder zu Bett; er grübelte und dachte hin und her und konnte doch nichts herausbringen. Je mehr er nachdachte, desto verwirrter wurde er, und je mehr er sich bemühte, nicht zu denken, desto angestrengter zerbrach er sich den Kopf.
    Marleys Geist quälte ihn über die Maßen. Sooft er nach reiflicher Prüfung mit sich ins reine kam, es müsse alles nur ein Traum gewesen sein, kehrte sein Denken wie eine starke losgeschnellte Feder in seinen früheren Zustand zurück und gab ihm dasselbe Problem aufs neue zu erwägen: War es ein Traum oder nicht?
    In dieser Verfassung blieb Scrooge liegen, bis die Uhr drei Viertel weitergerückt war, als er sich plötzlich erinnerte, daß ihm der Geist einen Besuch angekündigt hatte, sobald die Uhr eins schlage. Er beschloß, wach zu bleiben, bis die Stunde vorüber war, und in Anbetracht dessen, daß er ebensowenig wieder einzuschlafen wie gen Himmel zu fahren vermochte, war dies vielleicht der klügste Entschluß, dessen er fähig war.
    Die Viertelstunde dauerte so lang, daß er mehr als einmal überzeugt war, er müsse unbewußt ein wenig eingenickt sein und die Glocke überhört haben. Endlich schlug sie an sein lauschendes Ohr.
    Ding-Dong!
    »Ein Viertel!« sagte Scrooge zählend.
    Ding-Dong!
    »Halb!« sagte Scrooge.
    Ding-Dong!
    »Drei Viertel!« sagte Scrooge.
    Ding-Dong!
    »Die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher