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Das vertauschte Gesicht

Das vertauschte Gesicht

Titel: Das vertauschte Gesicht
Autoren: Ake Edwardson
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Abfallhaufen jagten. Die Siesta hatte gerade angefangen.
    Er wich einem Laster aus, der in einer Kurve an ihm vorbeidonnerte. Der Fahrer saß ganz ruhig da, den Ellenbogen gegen das Fenster gestützt, und rauchte. Auf dem Beifahrersitz spielte eine Frau mit zwei kleinen Kindern, eins der Kinder winkte Winter zu. Er winkte zurück. Er wischte sich übers Gesicht. Langsam brach ihm der Schweiß aus. Die Klimaanlage funktionierte nicht, »The very best, senorl«, und der Fahrtwind brachte auch keine Kühlung.
    Links sah er jetzt das, was man Torremolinos getauft hatte, »Torrie«, wie seine Mutter es einmal nach den Engländern genannt hatte: Betonblöcke ragten auf in den Himmel und krochen zugleich ins Meer hinaus. Man konnte es als Paradies oder Hölle empfinden, je nach Geschmack, aber Winter hatte jetzt anderes im Kopf, und er wollte auch nicht anhalten. Er dachte nicht mehr an Torrie, als er vorbeifuhr, es war für ihn nur eine Mauer, die am Meeresufer erbaut worden war.
    Er musste langsamer fahren. Jetzt kam er durch ein Gebiet, wo Hotels und Pensionen jede freie Fläche bedeckten. Flatotel Apartamentos. Nueva Tone Quebrada. Hotel Costa Azul. Die Straße führte jetzt am Meer entlang. Der Palacio del Meditteraneo verdeckte den Blick auf den Himmel, ein paar Buchstaben im Namen an der Wand fehlten. In Benalmädena sah er, wie rechts weiß gekalkte Dörfer an den Hängen der Sierra Bianca emporkletterten wie auf der Flucht vor dem Elend unten am Meer. Die unschuldigen Dörfer in den Bergen, dachte Winter. Wer kann sie vor all den geisteskranken Architekten schützen, die auf die Costa del Sol losgelassen wurden?
    Bei Caracola de Mar kroch das Auto über die Straßenunebenheiten. Rundherum waren enorme Hotelkomplexe errichtet, manche sahen aus wie verrückte Imitationen der Tempel in Lhasa. Die Landstraße durchschnitt plötzlich eine kleine Wüste, die auf Erschließung wartete. Überall standen Schilder. Verstaubte Gruppen von Palmen in der stechenden Sonne. Winter sah Geier über etwas kreisen, das ein toter Esel sein konnte.
    Er kam an Fuengirola vorbei. Die Hochhäuser links der Autobahn schienen wie zufällig rechts von den Bergen in die Landschaft geworfen worden zu sein. In den Schluchten wuchsen die Villen der Skandinavier wie Metastasen die Hänge hinauf.
    Scheiße, jetzt musst du aber aufhören mit diesen morbiden Gedanken, Winter. Vielleicht überlebt er ja. Vielleicht hat er sich schon einen T & T, einen Tanquerary and Tonic, bestellt.
    Der Strandstreifen zwischen Straße und Meer an der Costa war leer. Ein einsamer Bus stand verstaubt und ausgeschlachtet am Wegesrand.
    Winters Kopfschmerzen nahmen zu. In der Nähe von Myramar ragten verlassene Hotels aus dem Schotter. Sie wirkten wie Monster von einem anderen Planeten mit einer Haut aus gerissenem uringelbem Zement.
    Rechts sah er das Gebirge, wild zerklüftete Berge, die darauf zu warten schienen, dass die zufällig hereingebrochene Zivilisation wieder ausgelöscht wurde und alles wieder die Farbe der Berge annehmen würde.
    Schließlich sah Winter rechts das Hospital Costa del Sol; es war weiß und grün. Er bog beim Hotel Los Monteros ab, fuhr parallel zur Autobahn und um das Krankenhaus herum. Unterhalb einer Bushaltestelle parkte er und folgte der Ausschilderung. Entrada Principal. Das Gras war grün und die Blumenbeete rot. In einem riesigen Kreis waren Pinien um das mächtige Gebäude gepflanzt: Kakteen, Bougainvilleen, an den Balkons hingen üppig bepflanzte Blumenkästen.
    Eine breite Treppe führte zum Eingang hinauf, der wie ein schwarzer Schlund war. Winter holte tief Luft, strich sich durch die kurzen Haare und ging hinein.
    Simon Morelius verließ Bartram vor dem Park-Hotel und ging über die Avenyn zu Hanne Östergaard, die immer noch bewegungslos dastand. Sie sah ihn erst, als er neben ihr war. »Hier kannst du nicht stehen bleiben, Hanne.«
    Sie schaute ihn an.
    »Es ist doch nicht abgesperrt?«, fragte sie, und vielleicht hörte er ein trockenes Lachen. Sie hob den Blick und sah den Jugendlichen nach, die zwischen all den Leuten untergetaucht waren. »Diese Szene hat eine kleine Volksmenge angelockt. Jedenfalls warst du zur rechten Zeit am rechten Ort«, sagte sie und guckte ihn direkt an. »Wieder mal.« Dann legte sie eine Hand auf seinen Arm. »Entschuldige, Simon.«
    »Du brauchst nichts zu sagen. Sollen wir dich nach Hause bringen?«
    »Nein, danke. Mein Auto steht in Heden.« Es klang, als ob sie wieder dieses trockene kurze
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