Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
Morris Slade und sogar Ralph Diggs wurden für etwas bestraft, was andere getan hatten.
    »Scheint dich nicht zu überraschen.«
    Ich war so traurig, dass ich ganz vergessen hatte, überrascht zu sein. Ich versuchte, es zu übertünchen. »Donny hat mir schon mehr oder weniger erzählt, dass es Ben Queen war, der geschossen hat.«
    Sie runzelte die Stirn. »Donny? Über polizeiliche Angelegenheiten soll der doch gar nicht reden.«
    »Hat Maureen auch gesagt. Sie wollte den Sheriff anrufen und es ihm sagen. Na, jedenfalls, doch, ich war überrascht. Weißt du, was in der Nacht, als der Mord geschah, genau passiert ist?«
    Kopfschüttelnd zündete sie sich eine Zigarette an. »Hat Sam mir nicht gesagt.«
    »Es gab auf jeden Fall zwei Schusswaffen. Die eine, die sie gefunden haben, gehörte – rate mal, wem?«
    Maud runzelte bloß die Stirn. Sie hasste solche Ratespielchen.
    »Aurora Paradise.«
    Da klappte ihr die Kinnlade runter, die Zigarette verharrte in der Luft. »Das ist jetzt ein Witz! Was um alles in der Welt …?«
    »Bloß so ein kleiner Revolver, ich glaub, den hat sie noch aus ihren wilden Zeiten.«
    Maud lachte. »Da kriegt man ja mehr Angst, als man je vor Ben Queen hätte. Aber wie …?«
    »Den hat die Verrückte an Will ausgeliehen, für das Krimi-Theaterstück. Geladen war der natürlich nicht. Bis Ralph Diggs ihn entdeckt hat.«
    »Du lieber Gott.« Dann beugte sie sich über den Sitz und schaute zur Tür. »Sam wollte jetzt eigentlich hier sein.« Sie sah besorgt auf ihre Armbanduhr und beugte sich dann wieder über den Sitz, um in Richtung Tür zu schauen. »Da ist er ja.«
    Er nahm seine Dienstmütze ab und hängte sie an einen der Metallhaken oben an der Nische. In der Hand hatte er eine große Kaffeetasse, mit der Werbung für Sinclair Oil drauf.
    Ich kam gleich zur Sache. »Dann werden Sie ihn also ins Gefängnis stecken.«
    »Wen? Ben Queen?« Sein Blick ging zwischen mir und Maud hin und her. »Werde ich das? Habe ich etwa die Gesetze gemacht?«
    »Wird er jetzt wegen Mordes angeklagt?«, fragte Maud.
    »Nicht vorsätzlich, vermutlich wegen Totschlags. Aber ich weiß nicht. Die Sache ist die: Er ist mit einer Schrotflinte hingegangen, und das würde die Anklage bestimmt als Vorsatz auslegen.«
    Ich sagte: »Die trägt er immer mit sich rum. Würde ich an seiner Stelle auch tun.«
    Der Sheriff nippte an seinem Kaffee.« Immer? Wie oft bist du Ben Queen denn schon über den Weg gelaufen?«
    »Sie meinen, außer dem einen Mal, wo er mir das Leben gerettet hat?« Ich wollte mir einen beißenden Tonfall zulegen, war mir aber nicht sicher, wie sich so was anhörte. »Gar nicht«, log ich. »Hat mir sein Bruder George gesagt. Jedenfalls wollte er Morris Slade doch bloß beschützen.«
    Die Kaffeetasse landete mit einem heftigen Knall auf dem Tisch. »Du weißt ja anscheinend immer besser Bescheid als ich. Was weißt du denn darüber?«
    Ich hätte sagen sollen: »Ach, bloß das, was mir Donny gesagt hat«, wollte aber nicht besserwisserisch daherkommen, zumindest vorab nicht. »Ist doch offensichtlich, oder? Die andere Waffe brachte Ralph Diggs mit. Um sie zu benutzen. Das hätte er auch, bloß hat Ben Queen ihn dran gehindert. Außerdem ist es lächerlich zu behaupten, Ben Queen sei mit dem Vorsatz hingegangen, Morris Slade zu töten, falls Sie das denken. Das hätte er dann doch schon in Cold Flat …« Ich verstummte. Nur Ben Queen hätte mir sagen können, dass er in Cold Flat Junction tatsächlich mit Morris Slade gesprochen hatte.
    Der Sheriff beugte sich zu mir herüber. »Cold Flat Junction? Was ist damit? Was hast du …?«
    Maud stöhnte genervt. »Sam, hör auf! Ben Queen hat sich gestellt. Er hat geschossen, und damit hat sich’s.«
    Ich sagte – oder vielmehr jammerte: »Aber wieso sollte er Ralph Diggs erschießen, wenn nicht um Morris Slade zu retten? Er hatte doch gar keinen Grund dafür.«
    Der Sheriff wurde still. »Er hatte einen Grund.«
    Ich habe Leute schon sagen hören, sie erbleichten, wenn ihre Gesichter vor Angst ganz weiß wurden. Ich erbleichte innerlich.
    Maud guckte skeptisch. »Und welchen?«
    Der Sheriff schwenkte den Kaffee in seiner Tasse herum. Als er ihren Namen aussprach, klang es nachdenklich. »Rose.«
    »Rose? Rose Queen?«
    »Das ist alles so unfair«, sagte ich schnell, damit er nicht weitersprach. »Wo bleibt da die Gerechtigkeit?«
    Er musterte mich erstaunt. »Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich an die Gesetze zu halten, Emma.« Er knallte die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher