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Das Vermächtnis der Schwerter

Titel: Das Vermächtnis der Schwerter
Autoren: Michael Rothballer
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er sich mühte, die Arme gen Himmel zu erheben. »Es ist nicht an uns, über den Mangel an Geisteskräften oder einen charakterlichen Makel zu klagen. Wir müssen das Beste aus dem machen, was uns zu Gebote steht.«
    Arton war von Nataol unbestreitbar fasziniert. Diese Mischung aus aufrichtiger Gottesfurcht, Scharfsinn und Willensstärke konnte er nur bewundern. Wenn er in seinem Leben häufiger Gottesmännern begegnet wäre, die auf solche Weise die Eigenschaften eines Glaubensführers mit denen eines weltlichen Herrschers vereinten, würde er heute den Göttern möglicherweise nicht so ablehnend gegenüberstehen. Trotzdem war immer noch sein oberstes Ziel, herauszufinden, welches Wissen Nataol vor ihm zurückhielt, und davon würde er sich auf gar keinen Fall abbringen lassen.
    »Ich glaube nicht, dass Euer Gott zufrieden wäre mit den Schlussfolgerungen, zu denen Ihr mithilfe seiner Geistesgaben gelangt seid«, bemerkte Arton trocken. »Denn einige Eurer Schlüsse sind schlichtweg falsch. Falls ihr Euren Fehler berichtigen wollt, bleibt Euch nichts anderes übrig, als mir zunächst meine Frage zu beantworten.«
    »Welche Folgerung sollte das gewesen sein?«, fragte Nataol leicht irritiert. »Seid Ihr am Ende nicht Ecorims Sohn?« Der Hohepriester runzelte skeptisch die Stirn und murmelte leise vor sich hin: »Aber woher dann diese Kräfte? So jung – und schon so mächtig …! Wer außer Ecorim könnte der Vater eines solchermaßen Begabten sein?« Plötzlich erstarrte Nataol. Nach einer kurzen Weile des Schweigens begannen seine Finger, wie von selbst unruhig an den Falten des Bettlakens herumzuzupfen.
    »Gut, gut«, sagte er schließlich. »Ich werde Euch wohl zunächst ein paar Hintergründe erläutern müssen, aus denen ich meine Erkenntnisse schöpfe.« Der Erleuchtete setzte sich noch einmal zurecht, seufzte laut und begann, zu erzählen:
    »Diese Geschichte ist so alt wie die Zeit. Beginnen wir daher der Einfachheit und Kürze halber in der jüngsten Vergangenheit. Wie Ihr wisst, war Ecorim Erenor der einzige Mensch, der dem Herrscher von Arch Themur ebenbürtig war, jedoch nicht allein im Kampf mit dem Schwert, sondern auch in seinen Qualitäten als Anführer. Denn die eigentliche Stärke beider Feldherren bestand darin, immer wieder aufs Neue Mut und Zuversicht in ihren Gefolgsleute zu wecken, sodass beide Heerscharen in ungewöhnlicher Verbissenheit gegeneinander zu Felde zogen. Ecorim entschied den Kampf um die Eherne Feste letztlich nicht in erster Linie durch seinen großen persönlichen Einsatz – wie gerne dies auch in den Liedern berichtet wird –, sondern wegen der Todesverachtung seiner Truppen. Seine Gefolgsmänner zogen an seiner Seite in blinder Treue bis vor die nahezu uneinnehmbaren Tore von Arch Themur. Ich habe nie wieder jemanden getroffen, bei dem die Fähigkeit, solch bedingungslose Loyalität zu erzwingen, so ausgeprägt war wie bei Ecorim.«
    »Ihr kanntet Ecorim?«, entfuhr es Arton. Gleich im nächsten Augenblick schalt er sich selbst dafür, dass er Nataol sein Erstaunen so offen zu erkennen gegeben hatte. Wer weiß, was er daraus wieder für Schlüsse ziehen würde.
    »Oh ja, ich kannte ihn. Ich war damals noch ein einfacher Priester des Cit in den Reihen des vereinigten Heeres von Citheon und Jovena. Meine Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass sich die Soldaten des göttlichen Beistands allzeit bewusst waren. Dabei hatte ich auch des Öfteren die Ehre, mit dem Heerführer Ecorim persönlich zu sprechen.«
    Arton gestand es nicht offen ein, aber er beneidete den Hohepriester für die Erfahrung, dem großen Helden von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden zu haben. Ecorim war schon immer Artons Vorbild gewesen und lange Zeit hatte er ihn ja sogar für den eigenen Vater gehalten. Dass dieser Traum wie eine Seifenblase zerplatzt war, minderte seine Bewunderung für den berühmtesten Feldherren und Schwertkämpfer des Südens nicht im Geringsten. Was hätte er darum gegeben, einige Worte mit ihm wechseln oder gar einen kleinen Probekampf gegen ihn ausfechten zu dürfen! Aber die glorreichen Tage des Helden Ecorim waren vorüber und sein Leichnam lag unwürdig irgendwo am Grunde des Meeres. Dessen ungeachtet hatte Arton hier die seltene Gelegenheit, mit einem Mann zu sprechen, der Ecorim mit eigenen Augen gesehen hatte und behauptete, ihn sogar gekannt zu haben. Natürlich hatte dies auch auf Maralon zugetroffen, jedoch was seinen Neffen Ecorim anging, war Artons Ziehvater
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