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Das verlassene Boot am Strand

Das verlassene Boot am Strand

Titel: Das verlassene Boot am Strand
Autoren: Scott O'Dell
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Inseln, an denen wir vorbeikämen.
    »Ich fange bestimmt genug, du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, prahlte er.
    Aber ich legte trotzdem Nahrungsmittel zur Seite, Dinge, die sich eine Woche oder länger hielten, falls wir trotz Mandos vieler Angelhaken keine Beute machten. Schließlich war unser Boot ganz gut mit Vorräten gerüstet.
    Wir sagten niemandem etwas von unserem Plan, nicht einmal Pater Vinzenz. Und erst recht nicht Pater Merced, der vielleicht Kapitän Cordova von der Garnison veranlaßt hätte, uns ins Gefängnis zu stecken, weil wir Dinge gestohlen hatten, die der Mission gehörten.
    Wir beschlossen, zwei Tage vor Vollmond aufzubrechen, und zwar am Abend, wenn die Glocke zum Schlafengehen geläutet hatte. Am Nachmittag dieses Tages kam Kapitän Nidever in die Mission, und er erklärte mir noch einmal, daß das Ganze ein wahnwitziger Einfall sei.
    »Wenn ihr Matrosen wärt, wenn ihr Erfahrung hättet, wenigstens in den Gewässern hier um die beiden Inseln! Ihr begebt euch in eine tückische Welt voll Wind und Seegang, die für ein so kleines Boot sehr gefährlich sein kann.«
    »Mukat und Zando werden uns beschützen«, sagte Mando.
    Kapitän Nidever schaute uns erstaunt an. Er hatte die Namen unserer indianischen Götter noch nie zuvor gehört. Er sah, daß er uns nicht von unserem Plan abbringen konnte, daß wir uns dickköpfig jedem Rat verschlossen.
    »Wenn ihr Santa Cruz erreicht, dann geht auf der anderen Seite der Insel dicht am Ufer, im Seetangfeld vor Anker.«
    »Wir haben einen Anker, der vierzig Pfund wiegt«, sagte Mando.
    »Wenn ihr vor Anker gegangen seid, dann klettert auf die höchste Erhebung und schaut nach links. An klaren Tagen kann man die Insel der blauen Delphine erkennen. Nehmt euren Kompaß und stellt die Richtung genau fest.«
    »Wir haben keinen Kompaß.«
    »Ihr habt keinen Kompaß? Ihr werdet in China landen!« Kapitän Nidever griff in die Jackentasche und zog etwas hervor, das wie eine Uhr aussah. »Ich brauche ihn nicht mehr«, sagte er und erklärte mir die Buchstaben und Markierungen auf dem Zifferblatt. »Die Nadel zeigt immer nach Norden, ganz egal, wie du ihn hältst.« Er drehte den Kompaß auf der Hand hin und her, und ich sah, daß die Nadel immer auf die Kirchentür zeigte, als ob Mukat sie festhalten würde.
    »Du legst den Kompaß auf einen Stein und drehst ihn, bis die Nadel genau auf den Buchstaben N zeigt. Dann mußt du die Insel anvisieren und die Richtung, in der sie liegt, auf dem Kompaß ablesen. Auf diesem Kurs müßt ihr euch halten. Aber achte darauf, daß die Nadel immer auf dem Buchstaben N steht. Bei normaler Strömung und Wind weicht ihr bis zum Abend sicher nicht mehr als drei Meilen vom Kurs ab, und am Ende des zweiten Tages vielleicht insgesamt fünf Meilen. Aber dann müßtet ihr die Insel schon sehen können.« Er klappte den Deckel zu und gab mir den Kompaß. »Vergiß nicht, ihn wieder zurückzubringen«, sagte er und wollte über den Strand davongehen.
    »Ich werde ihn zurückbringen«, versprach ich. »Und Karana bringe ich auch mit.«
    Er blieb stehen. »Und habt keine Scheu umzukehren, wenn die See zu rauh wird und euer Boot Wasser aufnimmt. Ihr könnt es später noch einmal versuchen. Das weißt du ja. Denkt daran: Wer Wind und Wellen das Heck zukehrt, erlebt den Tag, an dem er sein Segel wieder setzen kann.«
     

5
     
    Mando fand ein Stück Stoff für ein Rahsegel und machte einen kleinen Mast, aber das Segel wurde gleich am ersten Abend davongeblasen, noch ehe wir bei ruhiger See und Mondschein eine Meile weit gekommen waren.
    Wir ruderten die ganze Nacht, zusammen oder einer alleine, und legten Pausen ein, wenn unsere Hände zu sehr schmerzten. Wir folgten der Brandung, die wie ein weißer Strich im Mondlicht leuchtete. Als der Tag anbrach, waren wir vor der Mission Ventura weiter unten an der Küste.
    Hier war die Brandung sehr stark. Im Westen konnten wir die Klippen von Santa Cruz und Santa Rosa erkennen. Mando fing einen dorado, aber er war zu müde, um ihn zu säubern, deshalb aßen wir jeder zwei Tortillas und einen Streifen Pökelfleisch.
    Es war windstill, und es gab nur leichten Wellengang aus Nordwest. In diesem ruhigen Gewässer fiel uns das Rudern leicht, und wir erreichten das Seetangfeld vor der Südspitze von Santa Cruz. Wir stakten uns durch den Tang hindurch bis in eine stille Bucht und vertäuten das Boot mit Lianen aus Seetang, anstatt den schweren Anker hinunterzulassen. Dann wateten wir an Land und nahmen
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