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Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition)
Autoren: Katherine Webb
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gezeichnete, tiefschwarze Schatten und gleißende Flecken Sonnenlicht. Das Geräusch schien die Stille vor Zachs Tür traurig hervorzuheben. Eine Galerie sollte so wieso nicht auf Laufkundschaft setzen, sagte er sich. Eine gute Galerie war ein Ort, den die richtigen Leute gezielt aufsuchten. Er seufzte und ging wieder hinein.
    Zachs Galerie war ein Juwelierladen gewesen, ehe er die Räume vor vier Jahren angemietet hatte. Beim Umbau waren winzige metallene Kettenglieder und Schließen unter dem Ladentisch und hinter den Sockelleisten zum Vorschein gekommen, kleine Stückchen Gold- und Silberdraht. Eines Tages fand er sogar einen Edelstein, hinter einem Regal in einem schmalen Spalt zwischen dem Holz und der Wand. Er fiel ihm mit einem kleinen, dumpfen Geräusch auf den Fuß, als er das Regal ausbaute – ein kleiner, glitzernder, makellos reiner Stein, vielleicht ein Diamant. Zach behielt ihn und betrachtete ihn als gutes Zeichen. Vielleicht war das ein Irrtum gewesen, und der Stein hatte ihn stattdessen mit einem Fluch belegt, dachte er jetzt. Vielleicht hätte er den ehemaligen Juwelier ausfindig machen und ihm den Edelstein zurückgeben sollen. Die Ausrichtung des Ladens war perfekt, ein wenig erhöht mit den riesigen Fenstern nach Südosten. Sie fingen die volle Morgensonne ein, ließen das Licht aber auf den Boden der Galerie fallen und nicht auf die Wände, an denen die empfindlichen Kunstwerke hingen. Selbst an düsteren Tagen wirkte der Raum hell, und er war gerade groß genug, sodass man ein paar Schritte zurücktreten und die größeren Stücke aus angemessener Entfernung betrachten konnte.
    Nicht, dass zurzeit viele große Stücke in der Galerie hin gen. Vergangene Woche hatte Zach endlich das Landschafts gemälde von Waterman verkauft, einem seiner zeitgenössischen ortsansässigen Künstler. Es hatte schon so lange im Fenster gehangen, dass Nick Waterman allmählich fürchtete, die Farben könnten verblassen. Mit diesem Verkauf hatte er den Künstler gerade noch davon abhalten können, sich mit seiner kompletten Sammlung eine andere Galerie zu suchen. Seiner kompletten Sammlung. Zach schnaubte leise. Drei Stadtansichten aus verschiedenen Blickwinkeln auf den Hügeln um Bath und eine beinahe kitschige Strand szene mit einem Mädchen, das mit einem irischen Setter spazieren ging. Nur die Farbe dieses Hundes hatte Zach dazu bewogen, das Bild zu nehmen: ein fabelhaftes Kupferrot, das lebhaft aus der ansonsten flauen Szene hervorloderte. Der Verkauf letzte Woche, von dem Galerie und Künstler jeweils die Hälfte erhielten, hatte Zach genug Geld gebracht, um die überfällige Steuer für sein Auto zu bezahlen, sodass er es wieder fahren konnte. Gerade rechtzeitig, um Elise mehr zeigen zu können, ein paar richtige Tagesausflüge zu unternehmen. Sie waren zu den Höhlen in Cheddar gefahren, zum Safari-Park in Longleat, und hatten ein Picknick im Savernake Forest gemacht. Langsam drehte er sich einmal um die eigene Achse und betrachtete den Rest seines Bestandes. Sein Blick glitt über einige kleine, aber schöne Bilder von diversen Künstlern des zwanzigsten Jahrhunderts, ein paar neuere Aquarelle von ansässigen Künstlern und blieb dann am Herzen der Sammlung hängen: drei Zeichnungen von Charles Aubrey.
    Er hatte sie sehr sorgfältig zusammen gruppiert, an der Wand mit dem besten Licht, genau in der richtigen Höhe. Das erste Bild war eine grobe Bleistiftskizze mit dem Titel Mitzy beim Sammeln . Das Mädchen hockte wenig elegant mit dem Rücken zum Künstler, den schlichten Rock über die weit gespreizten Knie geknäuelt. Die Bluse war im Rücken aus dem Rockbund gerutscht, sodass ein Stück nackter Haut zu sehen war. Umrisse und hastige Schraffuren prägten das Bild, und doch war dieses kleine Stück ihres Rückens, die angedeutete Vertiefung neben ihrer Wirbelsäule, so wunderbar dargestellt, dass Zach immer wieder am liebsten die Hand ausgestreckt hätte. Er wollte mit dem Daumen diese Vertiefung entlangstreichen, die glatte Haut und die harten Muskeln darunter spüren, den feuchten Schweiß in der warmen Sonne. Die junge Frau sammelte offenbar irgendwelche Pflanzen in einen Weidenkorb, der zwischen ihren Knien auf dem Boden stand. Und als fühlte sie den Blick des Betrachters, als erwarte sie halb seine Berührung im Rücken, hatte sie das Gesicht der einen Schulter zugeneigt, sodass ihr Ohr und die Rundung der Wange zu erkennen waren. Ihr Auge konnte man nicht sehen, nur eine Andeutung von Wimpern über
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