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Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Beate Maly
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so scharf, wie ihre Stimme klang. Jana wich zurück.
    Wieder öffnete sich die Tür zur Apotheke, und erneut erklang die helle Glocke. Was war heute bloß los? Jana sah kurz auf, es waren die Hafnerin und ein weiterer Kunde, den sie nicht kannte. Ein hochgewachsener Mann in auffällig schmutziger Kleidung. Schlammspritzer und Staub bedeckten seinen Mantel, und seine Stiefel waren voller Dreck.
    »Soviel ich weiß, hilft weder Zimtrinde noch Galgantwurzel gegen Übelkeit oder die Seitenkrankheit, und was die getrocknete Haut eines weißen Huhns betrifft«, Jana schüttelte den Kopf, »ich glaube nicht, dass mein Onkel so etwas führt. Außerdem verträgt sich Milch nicht mit Schweineschmalz. Die Mischung wäre alles andere als bekömmlich.«
    »Was seid Ihr, ein Arzt? Bei Eurer Tante hat es noch nie Probleme mit dem Mischen der Medizin gegeben. Natürlich führt Ihr Hühnerhaut, ich habe sie schon des Öfteren bei Eurer Tante gekauft. Und wenn Ihr mich noch lange warten lasst, dann gehe ich in eine andere Apotheke. Und seid gewiss, dass Eure Tante davon erfährt.«
    Jana überlegte. Was hatte Radomila bloß als getrocknete Hühnerhaut verkauft? Ein kleingeschnittenes Stück Ledergürtel?
    Sie holte eine Dose nach der anderen herunter, wog die einzelnen Zutaten fein säuberlich ab und füllte alles in ein Säckchen.
    »Ist die Hühnerhaut nun dabei?«
    »Noch nicht«, sagte Jana leise, biss sich auf die Unterlippe und überlegte fieberhaft, was sie stattdessen in die Mischung geben könnte. Bedrich erkannte ihre Not und deutete mit seinem breiten Kinn zu dem Regal, in dem sich die Dosen mit den getrockneten Blütenblättern befanden. Jana verstand nicht sofort, zögernd trat sie vor die Töpfe aus Ton.
    »Könnt Ihr Euch bitte etwas beeilen?« Die Kesselflickerin klang gereizt. »Schließlich kann ich nicht den ganzen Tag warten. Zu Hause liegt ein kranker Mann, und ein Haufen Arbeit muss erledigt werden.« Nervös trommelte die dürre Frau mit ihren langen Fingern auf die glatte Fläche des Tresens aus dunklem Holz. Unter ihren Fingernägeln lag der Dreck mehrerer Wochen.
    Lindenblütenblätter statt Hühnerhaut, dachte Jana. Hoffentlich bemerkt niemand den Schwindel. Rasch griff sie nach dem hohen Behälter aus glasiertem Ton und hielt ihn so, dass das weiße Schild mit dem Namen auf Lateinisch nicht zu lesen war. Geschickt nahm sie ein paar Lindenblütenblätter heraus und ließ sie raschelnd in einen Mörser gleiten. Dabei achtete sie darauf, dass niemand den Inhalt des Mörsers sehen konnte. Hastig zerrieb sie die Blätter zu feinem Staub und gab sie zu der übrigen Mischung. Wenigstens würde dieser Staub keinen Schaden verursachen. Sie reichte die Mischung der ungeduldigen Kundin und nannte eine unerhört hohe Summe, aber Zimt, Ingwer und Galgantwurzel gehörten zu den teuersten Gewürzen, die sie führten. Jana fand es höchst ärgerlich, dass ein Arzt einer armen Frau so eine teure Medizin verschrieb, noch dazu, wenn keine der Zutaten die Leiden des Patienten lindern würde. Aber die Kesselflickerin zahlte, ohne über die Summe zu murren, und verließ mit einem unfreundlichen Gruß die Apotheke.
    »Die Frau wird nichts davon bemerken«, flüsterte Bedrich und beugte sich dabei so nah zu Janas Gesicht, als wollte er sie küssen. Er roch nach einer Mischung aus gerösteten Zwiebeln und Speck. Bestimmt hatte er zuvor die Fülle für die Fleischknödel zubereitet, für die das Wirtshaus seines Vaters berühmt war. Jana wich zurück und ignorierte seinen enttäuschten Blick. Sie widmete sich der Hafnerin, die Ringelblumensalbe gegen rissige Hände wollte.
    Während Jana der Kundin zuhörte, warf sie einen Blick auf den Fremden, der mit der Hafnerin die Apotheke betreten hatte. Aber sie konnte den Mann nur von hinten sehen, denn er stand mit dem Rücken zu ihr und bewunderte Onkel Karels Sammlung eingelegter Amphibien. Frösche, Lurche, Eidechsen und Würmer – es war mit Abstand der unerfreulichste Glaskasten in der Apotheke. Jana ekelte sich jedes Mal, wenn sie daran vorbeiging.
    »Wollt Ihr einen großen oder einen kleinen Tiegel voll Salbe?«, fragte Jana.
    »Einen großen!« Die Hafnerin war eine kleine stämmige Frau mit einem runden freundlichen Gesicht und einem vollen Mund, der fast immer lächelte.
    »Grämt Euch nicht über die Kesselflickerin, sie hat im Moment große Sorgen und ist deshalb so verbittert.«
    »Die Seitenkrankheit ihres Mannes?«, fragte Jana, während sie Salbe in einen Tiegel
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