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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus
Autoren: Dirk C. Fleck
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demnächst ebenfalls wegzubrechen. Kein Wunder, nach dem, was in Miami los ist.«
    »Was ist denn in Miami los?«
    »Sie haben wirklich keine Ahnung, Cording, oder? Irgendwie beneidenswert. Checken Sie das Internet, lohnt sich. Der Staat, so wie wir ihn kennen, ist ordnungspolitisch am Ende. Er wird der zahlreichen Einschläge einfach nicht mehr Herr. Eine mittlere Überschwemmung, ein Stromausfall, ein Hurrikan reichen aus, und alle Ordnung ist beim Teufel. Es liegt nicht viel zwischen uns und der Anarchie. Die Fassade der Zivilisation hält maximal achtundvierzig Stunden. Übrigens sollte sich Omai überlegen, ob er Maeva je wieder von Rapa Iti entlässt. Das mag zwar herzlos klingen, aber eigentlich müsste es in ihrem Interesse sein. Nie war sie so wertvoll wie heute.«
    »Woher wissen Sie von Rapa, John?«
    »Hat mir Steve gestern erzählt.«
    »Steve?! Wo ist der denn?«
    »Na, Sie machen mir Spaß. Auf Tahiti natürlich. Ihr Zusammenspiel hat auch schon mal besser geklappt.«
    Cording legte auf. Wenn Steve definitiv wusste, dass Maeva am Leben war, wenn er sogar wusste, wo sie sich zurzeit aufhielt, dann war ihm auch klar, dass er, Cording, bei ihrer Entführung seine Finger im Spiel gehabt hatte. Dass der Junge sich bei ihm nicht meldete, sprach dafür. Cording rief eines der zahlreichen Miamivideos auf. Während er in Straßen voller kokelnder Autowracks und Tierleichen blickte, während er Zeuge wurde, wie Anwohner Kleidung und Möbel aus den Häusern schmissen, um den Plünderern zu suggerieren, dass bei ihnen nichts zu holen sei, während er beobachtete, wie Leichen in Vorgärten verbuddelt wurden, während er den Gestank förmlich riechen konnte, der über der Stadt lag, quälte ihn sein schlechtes Gewissen. Es war stärker als das Mitleid mit den Bürgern von Miami, die seit Tagen ohne Strom und Wasser waren, die sich zu Banden zusammenschlossen, um Lebensmittel und Medikamente zu ergattern. Die von Hunger, Cholera und Ruhr gezeichnet durch die Straßen taumelten, immer auf der Suche nach ihrem alten Leben, das nie zurückkommen würde. Wenn das Licht ausgeht, dachte Cording, sind wir mit unserem Latein am Ende. War Maeva wirklich so etwas wie ein Hoffnungsschimmer am Ende des Tunnels? Für diese Leute sicher nicht.
    Anderthalb Stunden waren Steve und Anapa im gleißenden Mondlicht auf den Wassern der Lagunen unterwegs, bevor sie den Hafen von Papeete erreichten. Zwischen den Kaianlagen kamen sie sich vor wie auf dem Präsentierteller. Sie trauten sich kaum noch, die Paddel ins Wasser zu stechen. Jeden Augenblick fürchteten sie, entdeckt zu werden. Aber von wem? Auf dem Boulevard Pomaré herrschte absolute Stille. Langsam glitten sie in ihrem Auslegerboot in den Schatten der »Aremiti-Ferry«, die als Versorgungsschiff zwischen Tahiti und Pitcairn pendelte. Auf ihrer Fahrt machte sie auch vor Rapa Iti Station.
    Zu Steves Überraschung war die Laderampe am Heck heruntergelassen. Er hatte sich eigentlich darauf vorbereitet, die Außenwand zu entern, aber eine solche Einladung konnte man natürlich nicht ausschlagen. Nachdem sie sich davon überzeugt hatten, dass niemand in der Nähe war, warf Steve seinen Rucksack und den Schlafsack auf den Kai, umarmte Anapa und kletterte an der Eisenleiter die Betonwand hoch. Er lief die Rampe hinauf in den Laderaum und hielt Ausschau nach einem passenden Versteck. Schließlich suchte er unter einer Persenning zwischen mehreren Getreidesäcken Schutz. Es lag sich relativ bequem dort. So bequem, dass er einschlief. Er wurde erst wieder wach, als es die Fähre kräftig durchschüttelte. Kurz darauf verteilten sich die Vibrationen des Motors gleichmäßig über das ganze Schiff. Die »Aremiti« hatte Fahrt aufgenommen. Darauf hatte er drei Wochen gewartet. Steve kramte im Rucksack nach Wasser, Popoi und Obst und genehmigte sich ein erstes Frühstück auf See.
    Der Proviant reichte für drei Tage , genau wie Fara es berechnet hatte. Niemand hatte ihn während dieser Zeit in seinem Versteck gestört, es war überhaupt kein Crewmitglied in den Laderaum gekommen, was es Steve ermöglichte, seine eingeschlafenen Glieder durch ein paar gymnastische Übungen mehrmals täglich wiederzubeleben. Das einzig Irritierende war die permanente Dunkelheit, die ihn umgab. Er hatte zwar seine Armbanduhr dabei, aber nach drei Tagen war er dermaßen aus dem Rhythmus gekommen, dass er nicht mehr wusste, ob es nun drei Uhr am Nachmittag oder drei Uhr nachts war. Es war drei Uhr nachts, als er
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