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Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame
Autoren: Leo Malet
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Zavatter .
    „ ,Ich vergebe
denen, die mir gegeben haben“... ,Mein Herz ist viel wert“... ,Meins nicht,
denn ich bin herzkrank“... Ein Herz, das viel wert ist? Zum Beispiel eine
herzförmige Brosche? Warum eigentlich nicht? Ein Herz, das man wie ein
Medaillon öffnen kann... Ein Herz, das ein Dokument enthalten könnte...“
     
    * * *
     
    Die nächsten Stunden bestritt ich
alleine. Ich meine, ohne Hélène und Zavatter . Denn
alleine war ich nicht... In meinem Kopf wälzten sich Gedanken und Personen in
einem unentwirrbaren Knäuel. Um zehn Uhr beschloß ich, Madame Ailot ein paar
Fragen zu stellen. In der Rue du Ranelagh wurde ich
höchst unfreundlich empfangen. Beerdigungsgesichter schienen hier an der
Tagesordnung. Jérôme, der Butler, wollte mich gerade abwimmeln, als Monsieur
Ailot aus einem Zimmer geschossen kam wie der Teufel aus der Hölle. Wenn Blicke
töten könnten...
    „ Haun Sie
ab!“ schnauzte er.
    Ich haute ab. Meine Theorie war noch
nicht wasserdicht. Außerdem wollte ich sie nicht vor Monsieur Ailot ausbreiten.
Ich ließ mich wie ein Schwein rausschmeißen. Mittelloser Privatdetektiv,
ungehobelt und ohne Vorurteile! Mal sehen, wer das größere Schwein war!
Scheiße, wenn das so gelaufen war, wie ich’s mir im Moment vorstellte...!
Passy! Passy! Hier gab’s noch Schätze zu heben...
    Ohne genau zu wissen wie, stand ich
wieder vor dem Häuschen in der Rue Berton. Wie üblich lag ländlicher Friede
über dem Viertel. Friede! Wirklich zum Totlachen. Eher tödliche Stille! Das
Lachen konnte einem im Halse steckenbleiben. Nach alter Gewohnheit drang ich
ins Haus ein. Heute nacht brannte kein Licht, auch nicht in der ersten Etage. Immerhin ‘ne Abwechslung.
Tastend ging ich nach oben. Dort knipste ich die Deckenlampe an. Dann ging ich
ins Nebenzimmer — das mit der riesigen Standuhr — und schaltete hier ebenfalls
das Licht ein. Hinten im Zimmer gab es eine Tür, die bisher noch nicht meine
Neugier erregt hatte. Jetzt öffnete ich sie. Wahrscheinlich gelangte man hier
über eine Treppe ins Erdgeschoß oder in den Garten. Nein, es war nur ein
Wandschrank. Ich entschuldigte mich höflich bei den Spinnen und schloß die
Schranktür wieder. Als nächstes inspizierte ich das Badezimmer. Ein ganz
normales Zimmer, nur etwas kleiner; aber dafür war das Fenster etwas größer als
normale Badezimmerfenster. Ich lehnte mich hinaus. Einen Sprung in den Garten
konnte ein sportlicher junger Mann ohne Schaden überstehen. Ich ging zurück an
den Tatort. Dort betätigte ich mich als Teppichverleger... oder Brückenbauer
(Ich glaube, diese langen, schmalen Teppiche nennt man Brücken). Bénech hatte
diese Brücke bei seinem Sturz verschoben. Auf das äußerste Ende der Brücke
stellte ich zwei Stühle übereinander. Mich selbst stellte ich vor die Verbindungstür,
neben den Vorhang, bückte mich und zog den Teppich zu mir ran. Er schlug Wellen
wie ein Meer in einem Vorstadttheater. Die Stühle purzelten ineinander.
Natürlich. Ich sauste ins Nebenzimmer, als wär der Teufel hinter mir her (oder
Monsieur Ailot!). Meine Kreppsohlen gaben keinen Ton von sich. Ich lief ins
Badezimmer und sprang durchs Fenster in den Garten. Kein Problem. Ich rannte
ums Haus, stand wieder vor der Eingangstür und ging hinauf in das
Versuchszimmer.
    „Bleiben Sie, wo Sie sind, und Pfoten hoch!“
sagte jemand.
    Grün im schmerzverzerrten Gesicht, haßerfüllt und bösartig, einen großkalibrigen Revolver auf
meine edlen Teile gerichtet, stand André Ailot vor mir.

12

Das letzte Wort
     
    Ich hob die Arme und sagte:
    „Damit kommst du nicht weit! Oder zu
weit, um wieder zurückzukommen...“
    „Sie ist tot!“ brüllte der junge Mann.
„Sie hat sich aufgehängt, an einem Baum im Bois . Das
ist Ihre Schuld ! Deshalb werd ich Sie töten.“
    „Schieß doch! So wie du auf Bénech
geschossen hast. Dann kommst du nicht aus der Übung.“
    Er schoß. Ich ging auf Tauchstation.
Die Kugel pfiff über meinen Kopf hinweg. Ein schlechter Schütze. Bei dem Todesschuß auf Bénech hatte er mehr Glück gehabt. Überhaupt
hatte die Familie Ailot immer viel Glück gehabt. Aber jetzt wendete sich das Blatt.
Weitere Schüsse fielen. Im Zimmer stank es wieder noch Kordit. Als ich mich
gerade aufrichten wollte, sprang jemand über mich hinweg und schickte mich
wieder auf den Teppich. Ein zweiter Gast kam die Treppe hochgerannt und sprang
ebenfalls über mich hinweg. Wie beim Springreiten. Und ich als Wassergraben.
Ich hob vorsichtig den
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