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Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen

Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen

Titel: Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen
Autoren: Jeanne Ryan
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wäre einfacher, wenn ich kein Einzelkind wäre. Ob meine Eltern wohl zu alt sind, um noch ein Kind zu machen? Oh nein, das will ich mir lieber gar nicht vorstellen.
    Oben ziehe ich meine Schlafsachen an und denke über den Verlauf des Abends nach. Hoffentlich hat Tommy recht und mein Video geht im Gewimmel der anderen unter. Trotzdem wälze ich mich die ganze Nacht von einer Seite auf die andere und gebe um fünf Uhr den Gedanken an Schlaf schließlich ganz auf. In den zwei Stunden, die mir bleiben, bis ich aufstehen muss, könnte ich Hausaufgaben erledigen oder sonst etwas Produktives tun. Aber sobald ich aus dem Bett steige, greife ich als Erstes nach meinem Handy. Nein, halt, auf dem Computer kann ich die Videos besser ansehen. Also setze ich mich an den Schreibtisch und schalte mit zitternden Händen meinen Laptop ein.
    Ich brauche ein paar Minuten, bis ich die Risk -Seite finde und die Anordnung der Einträge durchschaut habe. Während ich klicke, ploppen Fenster auf, die mich daran erinnern, dass ein Junge bei der ersten Risk -Runde eine einwöchige Trainingsreise mit dem Tour-de-France-Team gewonnen hat und ein Mädchen ein Vorstellungsgespräch bei MTV . Sie zeigen die Fotos der glücklichen Gewinner. Nicht schlecht für einen Abend Angst, denke ich.
    Während ich die Seiten überfliege, bessert sich meine Laune. Über fünfzigtausend Leute haben sich landesweit für die Live-Runden beworben. Samstagabend, also morgen, wählt Risk Bewerber aus zwölf Städten aus. Letztes Mal wurde die eine Hälfte der erfolgreichsten Teilnehmer aus den Live-Runden nach New York und die andere Hälfte nach Las Vegas geflogen, um im großen Finale um alles oder nichts zu spielen.
    Ich werde fast übermütig, als ich merke, dass die Café-Challenge eine derjenigen ist, die am wenigsten Leute gewählt haben. Wahrscheinlich weil sie so leicht war, was gleichbedeutend mit langweilig ist. Umso besser. Ich klicke die Kategorie an und scrolle mich durch die Liste der Videoclips, bis mich beim Erkennen meines eigenen Clips fast der Schlag trifft.
    Auf dem Bild ist mein verzerrtes, wasserglänzendes Gesicht zu sehen. Darunter zeigt ein kleiner Messbalken an, dass es über achtzig Kommentare zu dem Clip gibt. Das sind mehr als doppelt so viele wie für alle anderen Videos dieser Kategorie zusammen!
    Ich hole tief Luft und klicke auf das Bild, um das Video zu starten. Da stehe ich, mit gequältem Blick, und starre auf einen Punkt zwischen der Wand und Tommys Kamera. Ich weiß noch genau, dass ich mir vorkam wie eine Idiotin. Und im Video sehe ich auch genau so aus. Warum habe ich es nur für eine gute Idee gehalten, diese Challenge anzunehmen? Bloß weil Sydney Blumen bekommen hat und ich nicht? Wie bescheuert. An so etwas müsste ich mich längst gewöhnt haben.
    Ich höre Tommys Stimme: » Hier ist sie– das netteste, vernünftigste Mädchen, das ich kenne, und sie ist kurz davor, etwas zu tun, bei dem sie sich absolut nicht wohlfühlt. Wird sie es durchziehen? «
    Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass Tommy einen Kommentar dazu abgegeben hat. Was soll das denn? Im Video zögere ich, als wollte ich ihm antworten: Nein, verdammt noch mal, natürlich wird sie das nicht durchziehen. Einen Augenblick lang hoffe ich, dass der gestrige Abend nur ein wirrer Traum war. Aber das Mädchen im Video gießt sich das Wasser über den Kopf und prustet.
    Tommys Kommentar dazu lautet: » Oh! «
    Dann zeigt der Clip ein sehr nasses Mädchen mit sehr kleinen Brüsten in einer sehr durchsichtigen Bluse. Meine schlimmsten Befürchtungen sind wahr geworden.
    Ich sehe mir die Kommentare unter dem Video an und mir wird immer schlechter. Einer lautet: Hübsche Rosinen! Und der ist noch der netteste. Ich knalle den Laptop zu, krieche wieder ins Bett und ziehe mir die Decke über den Kopf.
    Eine Stunde später kommt summend eine SMS auf meinem Handy an. Ich ignoriere sie ebenso wie die nächste und übernächste. Haben meine Freunde das Video schon gesehen? Ich vergrabe mich tiefer in den Kissen.
    Um halb acht ruft meine Mutter durch die Tür: » Liebling, ist alles in Ordnung? Du kommst noch zu spät! «
    » Schon gut, ich bin gleich fertig « , lüge ich.
    » Kann ich reinkommen? «
    » Augenblick! « Schnell schlüpfe ich in meine Jeans und ein Top und unterdrücke ein Gähnen, als ich die Tür aufmache.
    Mom wirft einen Blick in mein Zimmer, wahrscheinlich sucht sie nach einer Crack-Pfeife.
    » Ich habe gestern Abend Spargelsuppe gemacht. Möchtest du
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