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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers
Autoren: Daniel Loy
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klirrend zu Boden.
    Meris stand hinter ihm. Sie zog das schmale Rapier zwischen den Kettengliedern hervor und wischte es an Arnulfs Umhang ab.
    Dauras presste die Hand an den Hals.
    »Du hast verdammt lange gebraucht«, krächzte er.
    »Und du warst verdammt schnell geschlagen«, gab sie ungerührt zurück. »Der Weg über die Dächer und hinauf bis zum Fenster ist nicht einfach. Und als ich dort ankam, war der Kampf schon vorüber und du hast ganz ruhig mit dem Dicken geplaudert. Du hattest versprochen, dass du ein Ablenkungsmanöver versuchst! Weißt du, wie schwer es war, das Fenster so leise aufzukriegen und mich unbemerkt anzuschleichen?« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Außerdem dachte ich, du würdest gern wissen, was er zu erzählen hat. Du klangst so interessiert.«
    Dauras stemmte sich hoch. Er fühlte sich kraftlos auf den Beinen. Auf allen vieren kroch er zu dem hingestreckten Kanzler und legte die Hände auf dessen Leib.
    »Du hast einen schlechten Charakter, Meris«, gab er zurück. »Mitunter. Weißt du das? Übrigens, er ist tot!«
    Er sah zu ihr auf.
    Sie zuckte die Achseln. »Darum ging es doch bei unserem Plan, nicht wahr?«
    »Ich dachte, du wolltest mit ihm reden«, antwortete Dauras. »Ihn dazu zwingen, deine Tochter herauszugeben   – oder zumindest zu verraten, wo sie ist, bevor du ihn tötest. Ich hoffe, du hast nicht meinetwegen darauf verzichtet. Wenn du ihn getötet hast, nur um mich zu retten   …«
    Meris fiel ihm ins Wort. »Du überschätzt dich, Mönch. Ich habe getan, wofür ich gekommen bin. Alles andere sind Träume.«
    »Ich dachte   …«, sagte Dauras.
    Meris wandte sich ab. »Ich habe nie mehr erwartet«, erklärte sie kalt. »Du schon? Nun, er hätte mir Tordis niemals ausgeliefert. Wie hätte ich ihn dazu zwingen können? Nein, ich habe hier alles für meine Tochter getan, was ich tun konnte.
    Wenn sie überhaupt noch lebt, dann nur, weil der Kanzler in ihr eine wertvolle Geisel sah. In dem Fall wird er sie an einen sicheren Ort gebracht haben. Ich gehe davon aus, dass Tordis bei irgendeinem ahnungslosen Paar oder in einem Waisenhaus gelandet ist, über einen Mittelsmann und mit der strikten Anweisung, sich um sie zu kümmern, bis jemand sie holen kommt.
    Wenn Arnulf überlebt hätte, hätte er sie irgendwann beseitigen lassen. Jetzt ist er tot und kann keine neuen Befehle mehr geben. Was bleibt, ist ein fremdes Kind an einem fremden Ort, bei Leuten, die nichts weiter über die Angelegenheit wissen, als dass sie dieses Kind im Auftrag eines Mächtigen zu hüten haben.
    Ich habe Arnulf getötet, weil das der einzige Weg war, meine Tochter zu retten. Auch wenn ich sie niemals wiedersehen werde.«
    Dauras band sich einen Streifen Stoff um den Hals. Er trat auf Meris zu.
    »Das klingt sehr nüchtern«, stellte er fest. »Für das, was auf dem Spiel steht.«
    »So wurde ich erzogen«, sagte Meris. »Ich werde nicht plötzlich eine andere, nur weil es um mein eigenes Kind geht. Meine Tochter hat es verdient, dass ich sie auf dieselbe Weise beschütze, wie ich stets das Kaiserreich beschützt habe.«
    »Das war es nicht, was du für sie im Sinn hattest«, stellte Dauras fest.
    »Es war das Beste, was ich für sie erreichen konnte«, sagteMeris. »Und jetzt verschwinden wir besser von hier, bevor einer von den Handlangern des Kanzlers mich sieht und eine Verbindung herstellt.«
    Sie trat auf das Fenster zu. Vorsichtig drückte sie es wieder einen Spalt auf und blickte auf den Innenhof.
    »Kommst du damit klar?«, fragte Dauras.
    »Kannst du noch klettern?«, fragte sie.
    Sie schwang die Beine über den Sims und tastete mit den Fingern über das Mauerwerk. Dauras schaute auf das Meer von Dächern, das sich rings um den Turm erstreckte. Er seufzte.
    »Nicht so gut«, stellte er fest. »Aber ich kann mich blind vorantasten und hoffen, dass ich bald wieder sicheren Boden unter den Füßen spüre.«

1.4.963 – IN MEERBERGEN, ZUR ZEIT DES TURNIERS
    R itter Lacan stand hinter der Schranke, die Lanze in den gepanzerten Händen, und versuchte, seinen Gegner zu erkennen. Die Sonne kam von schräg vorn. Sie war ungewöhnlich hell für einen Frühlingstag. Lacan verfluchte das gute Wetter, das Bponur den Bürgern von Meerbergen zum Festtag schenkte.
    Der Herold gab das Signal. Lacan ritt los. Staub wirbelte von der Bahn auf. Er zielte mit der Lanze auf den Schatten, der auf ihn zupreschte. Den Schild hielt er leicht schräg.
    Er blinzelte. Er sah die Lanzenspitze seines
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