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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung
Autoren: Andrzej Sapkowski
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fielen.
    »Geralt.«
    Wie üblich trug sie nur zwei Farben. Ihre Farben – Schwarz und Weiß. Schwarze Haare, lange schwarze Wimpern, die die dahinter verborgene Farbe der Augen nicht erahnen ließen. Ein schwarzer Rock, eine kurze schwarze Jacke mit weißem, gefüttertem Kragen. Ein weißes Hemd aus feinstem Leinen. Am Hals ein schwarzes Samtband, mit einem brillantenbesetzten Obsidianstern verziert.
    »Du hast dich überhaupt nicht verändert.«
    »Du auch nicht.« Sie verzog den Mund. »Und in beiden Fällen ist das gleichermaßen normal. Oder, wenn du willst, gleichermaßen unnormal. Jedenfalls mag diese Feststellung ein guter Anfang für ein Gespräch sein, aber sie hat keinen Sinn. Stimmt’s?«
    »Stimmt.« Er nickte und schaute zur Seite, zu Niedamirs Zelt und den Lagerfeuern der königlichen Bogenschützen, die halb hinter den schwarzen Silhouetten der Wagen verborgen lagen. Vom weiter entfernten Feuer her klang volltönend die Stimme Rittersporns, der ›Sterne überm Weg‹ sang, eine seiner gelungensten Liebesballaden.
    »Also, die Einleitung haben wir hinter uns«, sagte die Zauberin. »Lass hören, was noch kommt.«
    »Siehst du, Yennefer ...«
    »Ich sehe«, unterbrach sie ihn scharf. »Aber ich verstehe nicht. Wozu bist du hergekommen, Geralt? Doch nicht wegen des Drachen. Diesbezüglich hat sich doch wohl nichts geändert?«
    »Nein. Es hat sich nichts geändert.«
    »Wozu also, frage ich, hast du dich uns angeschlossen?«
    »Wenn ich dir sage, deinetwegen, glaubst du es mir?«
    Sie blickte ihn schweigend an, und in ihren funkelnden Augen lag etwas, was keinen Gefallen finden konnte.
    »Ich glaube es, warum auch nicht«, sagte sie schließlich. »Männer treffen sich gern mit ihren ehemaligen Geliebten, lassen gern die Erinnerung aufleben. Sie bilden sich gern ein, dass ehemaliger Liebesrausch ihnen eine Art lebenslängliches Besitzrecht an der Partnerin gibt. Das wirkt sich günstig auf ihr Wohlbefinden aus. Du bist keine Ausnahme. Trotz allem.«
    »Trotz allem« – er lächelte – »hast du recht, Yennefer. Dein Anblick wirkt sich hervorragend auf mein Wohlbefinden aus. Mit anderen Worten, ich freue mich, dich zu sehen.«
    »Und das ist alles? Na, dann sagen wir mal, dass ich mich auch freue. Nachdem ich mich erfreut habe, wünsche ich eine gute Nacht. Ich habe nämlich vor, mich zur Ruhe zu legen. Vorher gedenke ich mich zu waschen, und zu diesem Zwecke pflege ich mich auszuziehen. Also gewähre mir freundlichst ein Mindestmaß an Diskretion und entferne dich.«
    »Yen.« Er streckte die Hände zu ihr hin.
    »Red nicht so mit mir!«, zischte sie wütend, wobei sie zurücksprang und von den Fingern, die sie ihm entgegenhielt, blaue und rote Funken sprühten. »Und wenn du mich anrührst, brenn ich dir die Augen aus, du Mistkerl.«
    Der Hexer wich zurück. Die Zauberin, wieder etwas ruhiger, strich sich abermals die Haare aus der Stirn, stellte sich vor ihm hin, die Hände in die Hüften gestemmt.
    »Was hast du denn gedacht, Geralt? Dass wir fröhlich plaudern werden, uns an die alten Zeiten erinnern? Dass wir vielleicht am Ende der Unterhaltung zusammen auf den Wagen steigen und uns auf den Pelzen lieben werden, einfach so, um die Erinnerungen aufzufrischen? Hm?«
    Geralt, der sich nicht sicher war, ob die Zauberin womöglich magisch seine Gedanken las oder nur außergewöhnlich treffend riet, schwieg mit einem schiefen Lächeln.
    »Die vier Jahre haben das Ihre getan, Geralt. Ich bin schon drüber hinweg, und einzig und allein deshalb habe ich dich bei unserer heutigen Begegnung nicht angespuckt. Aber lass dich von meiner Höflichkeit nicht irreführen.«
    »Yennefer ...«
    »Sei still! Ich hab dir mehr gegeben als sonst einem Mann, du Mistkerl. Ich weiß selber nicht, wieso ausgerechnet dir. Aber du ... O nein, mein Lieber. Ich bin keine Dirne oder eine zufällig im Walde aufgegabelte Elfe, die man eines schönen Morgens verlassen kann, indem man einfach weggeht, ohne sie zu wecken, und auf dem Tisch ein Veilchensträußchen zurücklässt. Die man zum Gespött machen kann. Sieh dich vor! Wenn du jetzt auch nur ein Wort sagst, wird es dir leidtun!«
    Geralt sagte kein Wort, er spürte unfehlbar die Wut, die in Yennefer kochte. Die Zauberin strich sich abermals die widerspenstigen Locken aus der Stirn, schaute ihm in die Augen, von nahem.
    »Wir haben uns nun mal getroffen«, sagte sie leise. »Wir werden den anderen kein Schauspiel bieten. Werden das Gesicht wahren. Gute Bekannte mimen. Aber
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