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Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)

Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Joseph Caldwell
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nur zu nehmen brauchte, dass seine Tante seinetwegen viel zu besorgt war und er nur, ein Liedchen vor sich hin summend, durch das hohe, ihm bis zur Brust reichende Gras spazieren und einen Blick aufs Meer werfen müsste, wenigstens so lange, wie er bis drei zählte. Dann würde er, unbeschadet und von niemandem gefasst, zu dem Gemüsebeet zurückstolzieren, wo er Unkraut jäten sollte. Später, wenn er seiner Tante versicherte, dass alles glattgegangen sei, würde sie dankbar aufatmen, und er würde sie an seinem Triumph, überlebt zu haben, teilhaben lassen.
    Keine vier Schritte hatte er sich damals auf die verbotene Wiese gewagt, als er deutlich ein Rumpeln in der Erde unter seinen Füßen spürte. Aus dem Liedchen, das er summte, wurde ein Aufschrei. Sofort duckte er sich und warf sich ins Gras, das sich hinter ihm schloss und seine Spuren verdeckte. Mit einem weiteren Angstschrei sprang er auf, streckte die Arme von sich, als flehte er um die Gabe, fliegen zu können, stürzte aus dem hohen Gras, stolperte, fuchtelte umher und hastete zurück zu den Steckrüben und Pastinaken, die seiner Pflege anvertraut waren. Nie wieder würde er sich in den verbotenen Weidegrund wagen, nie wieder würde er ausprobieren, wie es war, ungehorsam zu sein, noch würde er überkommene Wahrheiten in Frage stellen oder Geheimnisse anzweifeln, die man ihm offenbart hatte. (Das Zittern hatte in seinen Gliedern gesteckt, und das dumpfe Rumoren war aus seinem Bauch gekommen. Doch das war ihm damals nicht aufgegangen, und auch jetzt sann er nicht darüber nach.)
     
    Während Aaron aus dem Fenster schaute, kam eine ablandige Brise auf, verfing sich in dem Rasen und begann ihren wohlgeordneten Vormarsch – eine kleine Welle nach der anderen bog die Halme – zum Rand der Klippe. Ein StreifenGrün wurde plattgedrückt, dann ein zweiter, dabei wandten die Grashalme ihre bleiche Unterseite kurz der Morgensonne zu, um sich gleich danach wieder aufzurichten. Und schon strich eine nächste Brise über die grünende Flur, bildete Welle um Welle, als ob die Weide ihren Stolz dareinsetzte, das Meer nachzuahmen und ihm zu verstehen zu geben, dass auch sie ihre Untiefen und Strudel hatte.
    Heute, nahm Aaron sich vor, würde er ernsthaft mit der Trauerarbeit beginnen. Er wollte den einsamen Strand abwandern, ohne sich um die ihn verspottenden Möwen zu kümmern. Mit jedem seiner Schritte wollte er den boshaften Mächten trotzen, die seinen Lebensplan vereitelt hatten; hatte er doch die Tragödie eines Mannes erlitten, der seinen Willen nicht hatte durchsetzen können. Er war entschlossen, sich hier in der feierlichen Einsamkeit, wie sie nur eine öde Sandfläche, eine ruhig atmende See und eine aufragende Klippe boten, seinem Seelenschmerz ungehemmt hinzugeben. Er hatte früher als gewohnt aufstehen und sich der Welt zeigen wollen, noch ehe die Sonne vollends aufgegangen war, aber seine Erschöpfung, zu der noch die fünf Stunden Zeitunterschied zwischen seinem Heimatort und hier kamen, hatte ihn im Bett gehalten lange nach der Zeit, die ihm ursprünglich vorschwebte. Und außerdem war der gestrige Abend wirklich ungemein anstrengend gewesen.
    Er hatte das Haus seiner Tante erst nach Einbruch der Dunkelheit erreicht. Ein Mann namens Sweeney, der mit einem Lieferwagen, einem amerikanischen Pickup vergleichbar, in die Stadt gekommen war, hatte sich bereitgefunden, ihn und das Schwein die paar Kilometer aus der Stadt hinaus mitzunehmen, die Aaron sonst noch hätte zu Fuß gehen müssen. Er hatte schon mit dem Gedanken gespielt, das Schwein einfach in der Stadt laufen zu lassen. Doch dann fand er, nach all den Mühen und Scherereien, die er mit dem Tier gehabt hatte, stünde ihm eigentlich eineBelohnung zu – natürlich kein Geld, sondern lediglich ein von Herzen kommendes Dankeschön – von der Frau mit dem übermütigen Lachen und den flinken Augen. Eine wohltuende Wärme würde in ihrer Dankbarkeit mitschwingen, ein kleines Lächeln würde sie ihm schenken, mit dem sie Aarons Mühen würdigte, das Schwein seiner rechtmäßigen Besitzerin zuzutreiben. »Mindestens einen Schinken müsste sie uns geben und ein paar Koteletts oder vielleicht eine Seite Speck, wenn’s geschlachtet wird«, hatte seine Tante später gesagt, nachdem er ihr erklärt hatte, was es mit dem Schwein auf sich hatte. Aaron aber wollte nichts weiter als ein kurzes Zeichen tiefempfundenen Danks von einer Frau, die ob der Selbstlosigkeit dieses Mannes geradezu überwältigt war, der
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