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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)
Autoren: Julie Klassen
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seiner Jackentasche. Keinen Ring, kein Schmuckkästchen, sondern ein zusammengefaltetes Stück Papier. Er entfaltete es sorgfältig und hielt es ihr hin.
    Ihre Augen und ihr Verstand brauchten einen Moment, um zu begreifen, was sie da vor sich hatte. Es war einer von Edwards gezeichneten Plänen für ein Bauprojekt. Hinter diesem Gebäude war ein Garten angedeutet und einige Wege zum Gehen. Die maßstabgetreue Zeichnung bildete eine Küche und einen Wäscheraum im Untergeschoss ab, Esszimmer, Wohnzimmer und Schulräume im Erdgeschoss und viele Schlafzimmer darüber.
    Er zeigte auf die Stelle, an der er den Plan mit seiner kühnen Blockschrift beschriftet hatte.
    Miss Keenes Internats- und Tagesschule für Mädchen
Alle werden angenommen, unabhängig von der Zahlungsfähigkeit
    Freude machte sich in ihr breit und sie lächelte zu ihm hoch.
    Er drehte das Blatt um, das einen zweiten, ähnlichen Plan zeigte. »Dieser hier hat einige Verbesserungen gegenüber dem Original, und ich hoffe, sie finden deine Zustimmung.«
    Die Zeichnungen selbst waren identisch, stellte Olivia fest. Nur die Bezeichnung hatte sich geändert:
    Die Keene und Bradley Schule für Mädchen
    »Du möchtest gern in einer Schule unterrichten?«, fragte sie mit hochgezogenen Brauen in gespieltem Unverständnis.
    Er streichelte ihr Kinn. »Du kleine Gans. Keene bezieht sich natürlich auf deine Mutter, Bradley auf dich. Zumindest hoffe ich, dass das bald so sein wird.«
    »Ach so …« Sie schlang die Arme um seinen Hals und hob ihm ihr Gesicht entgegen, um einen Kuss zu empfangen. »Das ist wirklich eine großartige Verbesserung.«

Epilog
     
    Endlich kann ich an den lange zurückliegenden Tag in der Krone und Krähe denken, ohne die Reue zu spüren, die mich so viele Jahre lang gequält hat. Jetzt grinse ich und lache manchmal, wenn ich mir bewusst mache, wie Gott selbst diese Begebenheit in etwas Gutes hineingewoben hat. In eine Summe, die viel größer ist als ihre einzelnen Teile.
    Während ich an einem warmen Sommertag auf einer Picknickdecke sitze und meine Lieben betrachte, die um mich versammelt sind, fühlt sich mein Herz leicht und froh an. Und verwundert.
    Ich beobachte, wie Edward, mein Edward, erfolglos versucht, die Schnur an einer Angel zu entwirren, als hätte er zwei linke Hände.
    Kopfschüttelnd und mit seinem berühmten finsteren Blick schlurft Avery Croome herbei, nimmt Edward die Angel ab und murmelt etwas über die Nutzlosigkeit der modernen Jugend. Aber hinter seiner barschen Fassade sitzt ein Zwinkern in seinen hellblauen Augen (die Edwards so sehr ähneln, aber ich werde nicht zulassen, dass Edwards Augenbrauen jemals so wild wachsen), und ich weiß, dass Mr Croome großes Vergnügen an der Sache hat. Manchmal wünsche ich mir, er und Mrs Moore würden heiraten, aber sie scheinen damit zufrieden zu sein, einfach Zeit miteinander zu verbringen, jetzt, wo die Verletzungen und Missverständnisse der Vergangenheit nicht mehr zwischen ihnen stehen.
    Andrews Schwimmer aus Birkenrinde taucht im Fluss unter und er stößt einen freudigen Schrei aus. Mr Croome eilt zu ihm, legt ihm die Hand auf die Schulter, ermutigt ihn und zeigt ihm, wie er den Fisch an Land ziehen kann. Angelockt von Andrews Ausruf schlendert Lord Brightwell rechtzeitig aus dem Garten herbei, um die Bachforelle zu bewundern. Edward zerzaust Andrews Haar und jammert gut gelaunt, dass der Junge schon drei Fische gefangen hat, während er noch auf seinen ersten wartet.
    Neben mir auf der Picknickdecke jubelt Audrey ihrem Bruder zu und rückt sich die Haube zurecht, wenn sie herunterzufallen droht. Was für eine hübsche junge Frau sie wird. Mit ihren dreizehn Jahren hat sie fast meine Größe erreicht und ihr Gesicht hat die kindliche Rundheit verloren. Irgendetwas sagt mir, dass Amos Tugwell sie endlich bemerken wird, wenn er nach dem nächsten Schuljahr nach Hause kommt.
    Audrey beugt sich vor und kitzelt das Baby, das auf einem weichen Hasenfell vor uns liegt, die warme Brise auf seiner Haut genießt und glücklich gluckst. Es ist unser Sohn – Edwards und meiner. Wir haben ihn Avery S. Bradley genannt. Das S steht für Simon oder Stanton, je nachdem, welcher Großvater danach fragt.
    Hinter mir höre ich ein Klopfen an einem Fensterglas und drehe mich zu Brightwell Court um. Dort am Bibliotheksfenster steht mein Vater. Wie gut er in seinem Sekretärsanzug und dem Halstuch aussieht! Er lebt nüchtern wie ein Quäker. Tizianrotes Haar flammt hinter dem gewellten
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