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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend
Autoren: Charles Bukowski
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Gesicht. Dann setzte der Pitcher zu seinem
nächsten Wurf an, und ich wetzte los. Ich rannte wie ein Irrer und
schlitterte vor dem Ball in die Second Base. Der Pitcher hatte zu lange
gebraucht.
    »Du bist out!« hörte ich
plötzlich den Burschen schreien, der den Schiedsrichter mimte. Ich
rappelte mich hoch und traute meinen Ohren nicht. »Ich hab
gesagt, DU BIST OUT!« schrie der Schiedsrichter.
    Da wußte ich, daß ich hier
geschnitten wurde. Genau wie David. Ich war »out«, weil ich
dorthin gehörte. Sie wollten mich nicht dabeihaben. Sie
wußten, daß David und ich Freunde waren. Und David war der
Grund, weshalb ich unerwünscht war. Als ich vom Spielfeld ging,
sah ich David in seinen Knickerbockern auf Third Base stehen. Seine
blaugelb gestreiften Kniestrümpfe hingen ihm um die Knöchel.
Warum mußte er sich ausgerechnet an mich hängen? Ich war ein
Gezeichneter.
    An diesem Nachmittag verdrückte ich mich
nach der letzten Unterrichtsstunde und ging ohne David nach Hause. Ich
wollte nicht miterleben, wie er wieder einmal von den Klassenkameraden
oder seiner Mutter verdroschen wurde. Und seine traurige Geige wollte
ich mir auch nicht anhören. Doch am nächsten Tag setzte er
sich in der großen Pause wieder zu mir, und ich aß wieder
seine Kartoffelchips.
    Trotzdem bekam ich meinen großen Tag. Ich
war groß für mein Alter, und ich fühlte mich sehr
stark, wenn ich auf der Platte stand. Ich schwang den Schläger
nicht gerade zielgenau, aber dafür mit Kraft dahinter. Ich
wußte, daß ich kräftig war. Vielleicht war ich auch
ein »gefährlicher Irrer«, wie sie sagten. Aber ich
hatte das Gefühl, daß etwas in mir steckte. Auch wenn es
vielleicht nur hartgewordene Scheiße war, es war immer noch mehr,
als die da hatten. Ich kam mit dem Schläger an die Reihe.
»Hey! Da kommt der Meister im Danebenschlagen! Meister
Windmühle!« Der Ball zischte heran. Ich schwang die Keule
und spürte, daß das Holz den Ball traf, wie ich es mir schon
immer gewünscht hatte. Der Ball schoß in die Luft, in
Richtung Left Field, hoch über den Kopf des Spielers dort
drüben hinweg. Don Brubaker hieß der Bursche. Er stand da
und sah den Ball über sich wegfliegen. Es sah aus, als würde
der Ball nie mehr herunterkommen. Brubaker rannte los, um ihn
abzufangen und mir die Tour zu vermasseln. Aber das war nicht zu
schaffen. Der Ball landete und rollte auf ein anderes Spielfeld, wo
einige aus der fünften Klasse zugange waren. Ich trabte langsam
zur First Base, trat auf den Ledersack und sah dem Kerl dort ins
Gesicht, lief gemächlich zur Second, trat drauf, dann zur Third,
wo David stand, den ich ignorierte, und als ich auch dort auf den Sack
getreten hatte, schlenderte ich zur Home Plate. So etwas hatte es noch
nie gegeben. So einen Home Run — von einem
Erstkläßler! Als ich auf die Home Plate trat, hörte ich
einen der Spieler - Irving Bone war es - zu unserem
Mannschaftskapitän Stanley Greenberg sagen: «Den sollten wir
ins reguläre Team nehmen.« Das reguläre Team spielte
gegen Mannschaften aus anderen Schulen. »Nein«, sagte
Stanley Greenberg. Stanley hatte recht. Ich brachte es nie wieder zu
einem Home Run. Die meiste Zeit traf ich nicht einmal den Ball. Aber
dieser eine Home Run blieb ihnen immer in Erinnerung, und wenn sie mich
auch weiterhin haßten, so hatte ihr Haß doch einen Knacks
bekommen: Es war jetzt, als wüßten sie nicht mehr so recht,
warum sie mich eigentlich haßten.
    Football war noch schlimmer. Ich konnte den Ball
weder fangen noch werfen, aber das wußten sie vor dem ersten
Spiel noch nicht. Als der gegnerische Läufer mit dem Ball
angeprescht kam, packte ich ihn am Kragen und warf ihn zu Boden, und
als er aufstehen wollte, trat ich ihn in die Rippen. Ich hatte etwas
gegen ihn: Es war der Karl, der im Baseball auf First Base spielte. Der
mit der Brillantine und den haarigen Nasenlöchern.
    Stanley Greenberg kam her. Er war
größer als wir alle. Er hätte mich in den Boden rammen
können, wenn er gewollt hätte. Er war unser Spielführer.
Was er sagte, das galt.
    »Du kapierst die Regeln nicht«,
eröffnete er mir. »Du spielst hier keinen Football
mehr.« Ich kam zum Volleyball und spielte dort mit David und den
anderen Flaschen. Das war nichts. Sie brüllten und schrien und
verausgabten sich, aber die anderen spielten Football. Ich wollte auch
Football spielen. Alles, was ich brauchte, war ein bißchen
Übung. Volleyball war blamabel. Mädchen spielten Volleyball.
    Nach einer Weile spielte ich
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