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Das Ritterdrama von Schreckenstein

Das Ritterdrama von Schreckenstein

Titel: Das Ritterdrama von Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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ausdenken und es aufführen.“
    Während der Auseinandersetzung verließ kein einziger Ritter den Saal. Als endlich der Eifer in Müdigkeit umschlug, als Gähnen die Gedankenschärfe und damit eine mögliche Einigung mehr und mehr verwischte, war Mitternacht längst vorbei.
    Kein Lehrer hatte eingegriffen, keine Hausordnung schrieb geregelte Schlafzeiten vor — es herrschten Ferien und Selbstregierung, wie der Rex sie verkündet hatte.
    Wieso aber ernannte er sich dann plötzlich zum Wecker vom Dienst und scheuchte alle mit dem Ruf „Aufstehen! In den Schultrakt gehen!“ aus den Federn?
    Das wollte den Rittern nicht in die langsam klarer werdenden Köpfe. Und vor allem: Was sollten sie im Schultrakt? Doch aus einer Mischung von Gewohnheit, Noch-nicht-ganz-da-sein und Neugier schlüpften sie in ihre Trainingsanzüge und schlurften zu dem genannten Ort.
    „Unsere Lehrerchen haben sich wohl ein Streichlein ausgedacht!“ lästerte Mücke.
    „Wenn die uns eine Klassenarbeit über Quarantäne schreiben lassen, krieg ich auf der Stelle Fieber!“ prophezeite Klaus.
    „Vielleicht hat der Osterhase in die Klassenzimmer gelegt?“ meinte Beni.
    „Da kennst du seinen Terminkalender schlecht!“ witzelte Armin. „Der kommt erst morgen.“
    Die Unterrichtsräume lagen innen, zum Burghof, der Korridor, ehemals Wehrgang, außen zum Burggraben, hinter dem die Straße in weitem Bogen zur Zugbrücke führte.
    Der mutmaßliche Lehrerstreich fand nicht statt. Weder der Rex noch sonst ein Bildungsbevollmächtigter erwartete sie.
    „Ach du grüne Tante!“ rief Emil unvermittelt und deutete hinaus.
    Auf der Straße stand ein Omnibus jenes Fuhrunternehmens, das die Ritter in die Ferien und wieder zurück brachte. Heute hatte es eine Überraschung eigener Art angekarrt. Vorn an der Grasnarbe standen sie, freudig-besorgt, mit Tragtüten und Pappschachteln in Händen: Rittereltern.
    „Mannometer!“ wunderte sich Beni. „Näher dürfen die ja nicht!“
    Einige Mütter fingen zu winken an.
    Da platzte Dampfwalze heraus. „Zu wem gehört denn der lange lila Dampfer?“
    „Du wirst lachen, das ist meine Mutter“, antwortete Strehlau. Aber niemand lachte.
    Elternbesuche sind in Internaten und ähnlichen Schulen eine merkwürdige Sache. Nicht jeder hat Vater und Mutter, die, nach Ansicht der anderen, zu ihm passen. Manche merken das selber — am Verhalten der andern. Die merken es auf jeden Fall. Andere wieder verändern sich, sobald ihre Eltern auftauchen und mögen sich dann selber nicht.
    So ungefähr sahen die Gefühle der Ritter beim Anblick der Eltern jenseits des Grabens aus. Dort mussten sie bleiben, zum Glück.
    Bei offenen Fenstern wurde hin und her gerufen, nicht immer verständlich, was den Rittern durchaus recht war. Manche Eltern benutzen Kosenamen aus der Kinderzeit schamlos weiter, dass sich einem die Haare sträuben, selbst wenn man allein mit ihnen ist.
    „Deswegen habe ich euch geweckt!“ tönte da eine tiefe, wohlbekannte Stimme durch den Korridor. „Eure Eltern haben mich mit Anrufen bombardiert, wie’s euch geht und dass sie Ostergeschenke hätten. Da hab ich diese Fahrt organisiert. Auch wegen der Omnibusfirma, der wir diesmal absagen mussten.“
    „Wie geht’s? Wie geht’s?“
    Diese Frage wurde von den Eltern so oft gestellt, dass die Ritter sich auf eine einheitliche Antwort einigten.
    „Wir erholen uns prima im Sanatorium Schreckenstein!“
    Mittlerweile hatten sich auch Lehrer dazugesellt. Dr. Schüler holte den Rex ans Fenster, weil Andis Vater, der Polizeichef von Neustadt, in amtlicher Eigenschaft fragte, ob er noch etwas für die Burg tun könne.
    Klaus kam dem Rex zuvor. „Ein paar Schweine schlachten lassen! Wir brauchen viel zu essen, sonst werden wir krank und stecken den ganzen Landkreis an.“
    Seine Schlagfertigkeit wurde mit großem Gelächter begrüßt.
    „Da kann ich vielleicht was machen!“ rief Dampfwalzes Mutter herüber. Das leuchtete allen ein, denn ihr gehört die Weinstube Zum guten Tropfen. Ein beliebtes Lokal, besonders bei den Schreckensteiner und Rosenfelser Lehrern. Überhaupt konzentrierte sich die Unterhaltung immer mehr auf das leibliche Wohl.
    „Ich werde mal für Limonade sorgen!“ rief Armins Vater herüber. Er war in der Getränkeindustrie tätig.
    „Am liebsten Literflaschen!“ riet ihm Fritz.
    Orkanartigen Beifall erhielten Ralphs Eltern, die Besitzer der Konditorei Capri in Neustadt.
    „Wir haben Süßigkeiten mitgebracht!“ erklärte die
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