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Das Rätsel der Rückkehr - Roman

Das Rätsel der Rückkehr - Roman

Titel: Das Rätsel der Rückkehr - Roman
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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dafür gegeben,
    ein Spiel mit meinem Vater zu verpassen,
    und ihm den ganzen Nachmittag zuzuschauen,
    wie er in der Eckkneipe die Zeitung liest.
    Das Haus mit der Katze im Fenster kenne ich.
    Um reinzukommen muss man den Schlüssel
    ganz tief hineinschieben,
    bevor man ihn mit einer Drehung
    vorsichtig ein wenig im Schloss zurückzieht.
    Die Treppe knarrt
    ab der achten Stufe.
    Ein großes Haus aus Holz.
    Ein langer kahler Tisch
    mit einem Obstkorb am Ende.
    An der Wand eine Ausstellung
    von Fotos in Schwarzweiß
    mit der Geschichte
    von einem Mann und einer Frau
    in der Glanzzeit ihrer Liebe.
    Ein Eichhörnchen rennt ganz schnell den Baum hinauf,
    es wendet sich zu mir,
    als sollte ich ihm folgen.
    Es ist drei Uhr früh, im fahlen Licht
    gehen Teenager noch auf den Strich
    mit Absätzen, die ihnen das Kreuz brechen
    bevor sie dreißig sind.
    Das Mädchen mit dem grünen Minirock und den aufgesprungenen Lippen lässt sich am frühen Morgen kurz bevor die Polizisten kommen in Kokain bezahlen das mit Bicarbonat versetzt ist und nimmt es auf der Stelle ein um den harten Blick der Bürgersfrauen auszuhalten die mit lila Lockenwicklern durch das Fensterglas hindurch ihre Brut überwachen.
    Es kommt selten vor, dass ich es eiliger habe als ein Eichhörnchen. Aber heute ist das so. Da steht es ganz erstaunt, weil ein Passant ihm nichts zu Fressen gibt oder mit ihm spielt. Man hat ihm nicht beigebracht, dass es nur ein armes Eichhörnchen im winzigen Park eines Arbeiterviertels ist. Bei den Tieren gibt es wohl keine Gesellschaftsklassen. Ein Ego schon.
    Ich warte auf das Öffnen der Kneipe.
    Die Bedienung kommt mit dem Rad
    trotz des Frostes.
    Sie sammelt die zwei Zeitungsstapel auf,
    die vorhin der junge Zeitungsbote
    vor der Tür abgelegt hat.
    Ich sehe, wie sie hinter dem Ladenfenster hantiert.
    Ihre Gesten sind sparsam und geübt.
    Endlich kommt sie und öffnet die Tür.
    Ich trete ein, trinke den ersten Kaffee und
    lese die morgendlichen Leitartikel,
    die mich jedes Mal ärgern.
    Sie legt sehr laut Heavy Metal-Musik auf,
    die sie für Joan Baez tauschen wird,
    sobald die ersten Gäste eintreffen.
    Ich gehe immer auf einen Sprung nebenan in den Buchladen. Die Buchhändlerin hinter der Theke. Mit müden Zügen. So bleich. Der Winter bekommt ihr nicht. Sie macht sich bereit, nach Key West zu fahren, zu ihrem Schriftstellerfreund, der seit mehreren Jahren dort lebt. Die Literatur hat, wie das organisierte Verbrechen, ein eigenes Netz.
    Der Nacken eines hinten im Laden lesenden Kunden.
    Profil von links.
    Zähne aufeinandergepresst.
    Höchste Konzentration.
    Er macht sich bereit, das Jahrhundert zu wechseln.
    Genau hier, vor meinen Augen.
    Ohne einen Laut.
    Ich dachte immer,
    es wäre das Buch, das die
    Jahrhunderte überspringt, um uns zu erreichen.
    Bis ich verstand,
    durch diesen Mann,
    dass es der Leser ist, der sich bewegt.
    Verlassen wir uns nicht zu sehr auf den Gegenstand
    mit den vielen Zeichen in unserer Hand,
    er besagt nur,
    wir waren wirklich auf der Reise.
    Ich gehe wieder in das Lokal nebenan. Die Bedienung gibt mir sofort ein Zeichen, dass jemand schon länger auf mich wartet. Nach Joan Baez ist Buffy Sainte-Marie an der Reihe, eine indianische Sängerin. Ich hatte die Verabredung völlig vergessen. Ich leiste wortreich Abbitte. Die junge Reporterin fragt mich schroff, ob sie unser Gespräch aufnehmen kann. Ich nicke, obwohl ich weiß, dass ein Gespräch im Prinzip keine Spur hinterlässt. Sie arbeitet für eine dieser Gratiszeitungen, die auf den Kneipentheken der Gegend herumliegen. T-Shirt, Jeans, Tattoos, rosa geschminkte Lider, sprühende Augen. Ich bestelle einen Tomatensalat. Sie einen grünen. Wir sind um die Achtziger herum von der Kultur des Steaks zur Kultur des Salats gewechselt, in der Hoffnung, dass wir davon friedlicher werden.
    Das Aufnahmegerät läuft. Im Grunde schreiben Sie nur über Identität? Ich schreibe nur über mich. Das haben Sie schon mal gesagt. Offenbar hat es keiner gehört. Haben Sie den Eindruck, dass man nicht auf Sie hört? Die Leute lesen, um sich selbst zu suchen, nicht um jemand anderen zu finden. Haben Sie Paranoia? Davon hat man nie genug. Denken Sie, dass Sie einmal um Ihrer selbst willen gelesen werden? Das war meine letzte Illusion, bevor ich Sie traf. Sie kommen mir in der Realität anders vor. Sind wir uns schon mal in einem Buch begegnet? Sie sammelt ihre Sachen mit der gelangweilten Miene auf, die dir einen sonnigen Tag verderben kann.
    Der einzige Ort, wo ich
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