Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung
Autoren: Reinhard K. Sprenger
Vom Netzwerk:
Bahnfrau knapp, Auskunft geben dürfe grundsätzlich nur die Auskunft. Ein kurzes Wortgefecht bleibt erfolglos, Schalberger muss sich in die Warteschlange am Informationsschalter einreihen – und verpasst seinen Zug. (
Spiegel
26/1994)
    Diese Szene beschreibt komprimiert die Haltung des »Nicht zuständig!«. Das ist die Mentalität der klar definierten Posten, Planstellen und Positionen. Sie fragt: »Wer ist zuständig?« (Statt: »Wer macht es am besten?«) Ihr Wesen ist das Statische, eine Identität aus negativer Abgrenzung. Sie hat ihren logischen Ort am |22| »Arbeitsplatz«, einem Platz, den jemand »einnimmt«, indem er sich auf ihn »setzt« und einen fest umrissenen Zirkel von Tätigkeiten exekutiert. Wie es schon der Vorgänger tat und der Nachfolger tun wird. Orientiert an fragmentierten Einzelaufgaben. Dafür gibt es Stellenbeschreibungen. Aus Schutzgründen gegen unfriendly takeovers. Sie beschreiben ein Revier, das zu verteidigen ist, das aber auch nicht aus eigenem Antrieb überschritten wird. Ein Abteilungsleiter, der als Quereinsteiger bei der Mannheimer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft MVV eine eingeschworene »Mannschaft« übernahm, erinnert sich: »Die ersten Worte, die ich lernte, waren ›Besitzstand‹, ›Historie‹ und ›Das steht nicht in der Stellenbeschreibung‹.«
    Dem Konzept des »Arbeitsplatzes« entspricht auf der Handlungsebene die »Akte«. Und die Aktenmäßigkeit des Verwaltungshandelns wiederum betoniert die Herrschaft des Büros. Fachwissen wird zu Dienstwissen und Dienstwissen zu Dienstwegwissen (Dirk Baecker). Bei einer deutschen Landesbank erhält jeder neue Mitarbeiter eine Liste von Leuten, die er
nicht
anrufen darf.
    Es ist leicht einzusehen, dass die Arbeitsteilung und die organisatorische Fragmentierung von Arbeit für diese Situation eine wichtige Rolle spielen. Sie haben Unternehmen zu vertikal-hierarchischen Organisationen gemacht, in deren Funktions-Silos vor allem das Ressort- und Abgrenzungsdenken wuchert. Die Zerlegung der Arbeitsgänge in kleinste Schritte, die Trennung von vor- und nachgelagerten Tätigkeiten (Entwicklung, Arbeitsvorbereitung, Produktion, Endkontrolle etc.), welche von den Arbeitern die Angestellten absonderte, das Zerteilen von Denken und Tun, die Höherbewertung von Führen gegenüber Ausführen – all das, was unter dem Stichwort Taylorismus für die ungelernten Arbeitskräfte der amerikanischen Hochindustrialisierung erfunden wurde, all das hat den Menschen zum Anhängsel der Maschinen-Taktzeiten reduziert. Es entband den Mitarbeiter von der Verantwortung für seine Arbeit und deren Qualität. Die innere Bindung an ein »Werk« wurde durch eine äußere Geld-»Kompensation« ersetzt. Und die arbeitenden Menschen handelten, wie sie behandelt wurden: entlassen aus der Verantwortung für Produktion und Produkt.
    Dieses Management-Paradigma hat sich bis heute kaum verändert. |23| Die Roland Berger Unternehmensberatung untersuchte bei der Telekom den Antragsweg für ein neues Telefon. Das Formular wanderte durch die Ein- und Ausgangskörbe von vier Abteilungen. Bis zu 15 Mitarbeiter waren mit einem Auftrag beschäftigt – zersägt in viele kleine Arbeitsgänge, an denen Spezialisten ihr Spezialistenwissen exekutieren. Viele sind involviert, aber wer ist wirklich zuständig?
    Wenn zuständig, dann höchstens ständig zu: Bei einem mir bekannten Zeitschriftenverlag sind sieben Abteilungen beteiligt, wenn Einzelhändler unverkaufte Produkte zur Gutschrift zurücksenden. Alle ächzen unter der Arbeitslast. Aber im engeren Sinne verantwortlich für die Retouren ist keine einzige Abteilung.
    Die raumgreifende Internationalisierung in den Unternehmen tut ein übriges: Mitunter führt die Mehrfachzuständigkeit sich überlagernder regionaler, europäischer, globaler und funktionaler Netze zu einer tief greifenden Orientierungslosigkeit unter den Mitarbeitern: »Ich weiß schon seit Monaten nicht einmal, wer mein Chef ist.«
    Café Größenwahn
    Auf die Frage des Gastes, wie viel Uhr es sei, antwortet der Restaurantkellner: »Tut mir leid, an diesem Tisch bediene ich nicht!« – Die Beziehung zum Ganzen: sie fehlt oft in unseren Unternehmen vollständig. Viele Abteilungen organisieren die Arbeitsabläufe ausschließlich nach ihren eigenen Bedürfnissen, ohne dabei die Erfordernisse des Gesamtablaufs zur Richtschnur zu machen. Von einem Abteilungsleiter erwartet man schließlich vor allem Fachwissen und Erfahrung! Nach den Forschungen von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher