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Das Phantom im Opernhaus

Das Phantom im Opernhaus

Titel: Das Phantom im Opernhaus
Autoren: Jan Beinßen
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es in den Katakomben des Opernhauses keinen Empfang. Nicht einmal für einen einzigen Balkenausschlag reichte es auf dem Display.
    Das war ja wirklich eine blöde Situation! Paul dachte an den Bühnenarbeiter, den er vorhin nach dem Weg gefragt hatte, und überlegte, wie lange es wohl dauern würde, bis wieder jemand durch diesen Gang käme. Wenn er Pech hatte, könnte das Stunden dauern. Sein neuer Auftraggeber würde ja einen schönen Eindruck von ihm bekommen! Verärgert trat Paul gegen eine schäbige Sockelleiste. Was nun?
    Noch war ihm nichts eingefallen, als er plötzlich im Dunkeln stand: Die Deckenbeleuchtung war erloschen – es war stockfinster um ihn herum.
    »So ein verfluchter …« Paul schimpfte ungehemmt, als er sich an der rauen Wand entlangtastete, um den Lichtschalter zu finden. Er ging zunächst in Richtung des Zugangs, durch den er den Flur betreten hatte. Zu seinem Leidwesen fand er aber weder auf der rechten noch auf der linken Seite einen Schalter. Abermals stieß er einen Fluch aus und machte sich tastend und stockend auf den Weg zur anderen Seite.
    Er war etwa bis zur Hälfte gekommen, als er wieder ein Geräusch hörte. Es war das Quietschen eines Türscharniers. Paul blieb stehen und lauschte in die Stille.
    »Hallo?«, rief er, als sich nichts rührte. »Ist da jemand?« Niemand antwortete.
    Hatte er sich das Quietschen nur eingebildet? Egal. Paul setzte seinen Weg langsam und vorsichtig fort. Er war nur noch wenige Schritte von der zweiten Tür entfernt, als er erneut innehielt. Ihn beschlich das unheimliche Gefühl, dass jemand dicht bei ihm stand. Er hörte ein leises Atmen – es war sehr nahe.
    Paul fröstelte. Noch immer war es um ihn herum dunkel wie die rabenschwarze Nacht. Er streckte seine Arme aus und griff ins Leere. Er spürte mit jeder Pore seines Körpers, dass jemand ganz in seiner Nähe sein musste! Doch wo er auch hintastete, er stieß auf keinen Widerstand. Der Fremde war nicht zu fassen.
    Paul bekam es mit der Angst zu tun. In geduckter Haltung schlich er weiter. Er wollte jetzt nur noch eines: so schnell wie möglich einen Lichtschalter erreichen! Viel zu dicht drückte er sich dabei an die Wand, sodass sich seine Handflächen schmerzhaft am rauen Verputz rieben. Doch unbeirrt ging er weiter. Das letzte Stück nahm er in flinkeren Schritten.
    Diesmal hatte er Glück: Dort, wo er einen Schalter vermutet hatte, ertastete er tatsächlich eine Armatur. Hoffentlich funktionierte der Lichtschalter! Paul legte den altmodischen Hebel um. Schlagartig flackerten die Glühbirnen an der Decke auf und tauchten den Gang in ein nüchternes Licht. Paul sah sich hastig nach allen Seiten um. Er war allein! – Doch die Tür vor ihm war nicht mehr verschlossen. Sie stand weit offen und war am Wandanschlag arretiert.
    »Sehr witzig!« Wenn auf diese Weise alle Opernneulinge begrüßt wurden, sprach das Bände, dachte Paul verärgert. Jetzt musste er sich sputen, um die verlorenen Minuten wieder reinzuholen.
     
    Jürgen Klinger war nicht begeistert, dass sein neuer Fotograf sich schon am ersten Arbeitstag verspätete. Anstatt Paul seinen Missmut offen kundzutun, wählte der Dramaturg jedoch einen indirekten Weg: Er richtete sich an die bereits in voller Montur angetretenen und etwas gelangweilt dreinblickenden Akteure auf der Bühne und sagte: »Nicht Talent ist die größte Gabe für die Arbeit in einem Team, nicht das Aussehen und nicht der Charme. Nein, meine Damen und Herren, es ist – das wissen wir alle – die Pünktlichkeit. Denn sie ist der wichtigste Ausdruck der Kollegialität.«
    Paul verzog schuldbewusst das Gesicht. Freunde hatte er sich mit seinem Zuspätkommen wohl nicht gemacht. Verstohlen schaute er sich unter den Anwesenden um: Ein Gnom mit nervösem Augenzucken sah verärgert auf seine Armbanduhr. Zwei junge Damen, die sich am Schminktisch gegenseitig überboten hatten, gaben ihm mit Blicken zu verstehen, dass er so ziemlich das Letzte war. Einer der Akteure las in seinem Textbuch und schaute nicht zu ihm auf, ein anderer brachte seinen Unmut offen zum Ausdruck, indem er Paul kopfschüttelnd ansah.
    Unverhofft bekam er jedoch Hilfe: »Schwing keine Reden, Jürgen!« Der agile, schmal gebaute Mann mit dem wallenden weißen Haar, der Paul bereits am Tatort aufgefallen war, drängte den eineinhalb Köpfe größeren Dramaturgen beiseite. »Wir müssen weitermachen, Kinder! Alle auf ihre Positionen!«
    Seinem Auftreten nach musste es sich um Ricky Haas handeln, den
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