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Das Patent

Titel: Das Patent
Autoren: Lincoln Child
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Achterbahn dieses Parks ist - nach dem >Kreischer< drüben in Boardwalk.«
    Als sie den Dorfplatz erreichten, ragte die Burg finster vor ihnen auf. »Ein exakter Nachbau der walisischen Burg Caernarvon«, sagte Amanda Freeman. »Natürlich mit selektiver Kompression und erzwungener Perspektive.«
    »Erzwungener Perspektive?«
    »Die oberen Stockwerke entsprechen nicht der Wirklichkeit.
    Sie sind kleiner. Sie rufen zwar die Illusion korrekter Proportionen hervor, sind aber gemütlicher und weniger einschüchternd. Wir setzen diese Technik in Utopia auf vielen Ebenen ein. Die Abmessungen des Berges dort sind zum Beispiel reduziert, damit er die Illusion von Ferne hervorruft.«
    Sie deutete mit dem Kopf auf das hochgezogene Fallgitter.
    »In dieser Burg wird außerdem das Stück >Der verzauberte Prinz< aufgeführt.«
    Das Lied des Barden war längst hinter ihnen verstummt. Nun drangen andere Geräusche an Warnes Ohren: Vogelgezwitscher, das Plätschern von Springbrunnen und das leise Geräusch, das er schon im Nexus vernommen hatte. »Was ist das für ein Geräusch, das ich ständig höre?«, fragte er.
    Amanda Freeman maß ihn mit einem kurzen Blick. »Sie sind sehr hellhörig. Unsere Fachleute haben in der Mutterleibsforschung Pionierarbeit geleistet. Wenn sich Besucher in Camelot aufhalten, hört man das Geräusch nicht mehr. Aber es ist trotzdem da.«
    Warne schenkte ihr einen verdutzten Blick.
    »Es geht um die Reproduktion bestimmter mutterleibähnlicher Effekte - Temperatur, Hintergrundgeräusche -, die auf subtile Weise das Gefühl von Ruhe und Frieden hervorrufen.
    Wir haben fünf Patente angemeldet. Die Utopia Holding verwaltet inzwischen über dreihundert Patente, die wir an die chemische, medizinische und elektronische Industrie lizenzieren. Andere bleiben uns vorbehalten.«
    Drei davon habe ich entwickelt, dachte Warne stumm und gestattete sich einen Anflug von Stolz. Ob die Frau überhaupt wusste, was er zum täglichen Gelingen Utopias beigetragen hatte? Er hatte das Metanet entwickelt, das die Aktivitäten und die Intelligenz der Parkroboter koordinierte. Doch Amanda Freemans Art, ihm die Gegend zu zeigen und mit ihm zu reden, als sei er irgendein Programmiererassistent, ließ vermuten, dass sie nichts davon wusste. Erneut fragte er sich, warum Sarah Boatwright ihn so plötzlich hierher bestellt hatte.
    »Hier entlang«, sagte Amanda Freeman und bog in eine Seitengasse ab.
    Ein Mann mit einem violetten Umhang und dunklen Kniehosen kam an ihnen vorbei und übte sich in Mittelenglisch. Vor ihnen waren zwei stämmige Wartungsarbeiter unterwegs, die einen großen Metallkäfig trugen. In ihm saß ein kleiner Drache. Sein Schweif zuckte, seine dunkelroten Schuppen schillerten in der Sonne. Warne schaute ihn an.
    Die feuchten Nüstern des Drachen flammten auf, als Luft durch sie fuhr. Er hätte schwören können, dass die gelben Augen des Wesens aufleuchteten, als es den Blick auf ihn richtete.
    »Ein Fabelwesen«, sagte Amanda Freeman. »Unterwegs zum >Greifenturm<. Der Park ist noch geschlossen, deswegen transportieren sie ihn nicht unterirdisch. Was ist denn, Dr. Warne?«
    Warne starrte noch immer hinter dem Drachen her. »Nichts Besonderes«, murmelte er. »Ich bin nur nicht dran gewöhnt, diese Dinger mit Haut zu sehen.«
    »Wie bitte? Ach ja! Es ist ja Ihr Spezialgebiet.«
    Warne befeuchtete seine Lippen. Die Kostüme, der Dialekt, der beinharte Realismus der Umgebung. Er schüttelte langsam den Kopf.
    »Ist ganz schön heftig, wenn keine Besucher da sind, die die Illusion zerstören, nicht wahr?« Amanda Freemans Stimme klang nun leiser und weniger forsch. »Lassen Sie mich mal raten. Als Sie hier angekommen sind, waren Sie der Meinung, dass der Nexus eher spartanisch aussieht - irgendwie trist.«
    Warne nickte.
    »Fast jeder, der zum ersten Mal nach Utopia kommt, hat am Anfang dieses Gefühl. Eine Besucherin hat mir mal erzählt, der Nexus sehe aus wie ein Milliardendollarflughafenterminal. Tja, er wurde bewusst so konstruiert.« Ihre Hand deutete auf die Umgebung. »Manchmal kann Realismus auf die Besucher desorientierend wirken. Deswegen sorgt der Nexus für eine neutrale Umgebung - als Übergang von einer Welt in eine andere.«
    Sie wandte sich einem zwei Etagen hohen Fachwerkhaus zu und betätigte die eiserne Klinke der Eingangstür. Warne folgte ihr ins Innere. Zu seiner Überraschung war das Gebäude nur eine Hülse. Das Dach war offen. In der Rückwand befand sich eine einfache graue Tür, daneben
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