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Das Parsifal-Mosaik

Titel: Das Parsifal-Mosaik
Autoren: Robert Ludlum
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Nachteil für Sie. Wenn ich etwas anderes erfahren hätte, wer weiß, was ich denen dann berichtet hätte? Aber da ich Ihnen wirklich glaube, erkläre ich auch, weshalb ich Sie prüfen mußte.« »Moskau denkt also, ich wäre immer noch aktiv?«
    »Ich werde das Urteil abgeben, daß Sie das nicht mehr sind. Ob sie das akzeptieren, ist eine andere Sache.«
    »Warum sollten sie daran zweifeln?« fragte Havelock, der immer noch auf das Wasser hinunterblickte.
    »Ich habe keine Ahnung ... Sie werden mir fehlen, Michael. Sie waren immer höflich, schwierig zwar, aber korrekt im Umgang. Sie sind kein geborener Amerikaner, nicht wahr? In Wirklichkeit sind Sie Europäer.«
    »Ich bin Amerikaner«, erwiderte Havelock leise. »In Wirklichkeit.« »Sie haben Ihrem Land gute Dienste geleistet, das muß ich sagen. Wenn Sie es sich anders überlegen - oder jemand Sie dazu bringt, Ihre Haltung zu ändern -, dann nehmen Sie mit mir Verbindung auf. Wir können immer Geschäfte machen.« »Das ist höchst unwahrscheinlich, aber trotzdem vielen Dank.« »Das ist kein deutliches Nein.« »Ich bin höflich.«
    »Wohlerzogen. Au revoir, Mikhail.«
    Havelock wandte langsam den Kopf und blickte dem eleganten Gravet nach, wie er mit einstudierter Grazie die Pont Royal hinunterging. Der Franzose war bereit gewesen, im Auftrag von Leuten, die er abstoßend fand, ein getarntes Verhör durchzuführen; man mußte ihn dafür sehr gut bezahlt haben. Aber warum ließ man ihn nicht in Ruhe?
    Das CIA in Amsterdam glaubte ihm nicht. Das KGB war in Paris und mißtraute ihm ebenfalls. Warum?
    Wie weit würden sie gehen, um ihn weiter unter ihrer Kontrolle zu halten?
    Das >Arethusa Delphi< war eines jener kleinen Hotels am Syntagna-Platz in Athen, das den Reisenden nie vergessen ließ, daß er sich in Griechenland befand. Das schimmernde Weiß der Wände und Möbel in den Zimmern wechselte nur mit den grellen Farben der Ölgemälde ab, auf denen antike Tempel und Plätze von Postkartenkünstlern romantisch verklärt dargestellt waren. Jeder Raum hatte eine schmale Flügeltür, die auf einen winzigen Balkon hinausführte - groß genug für zwei kleine Stühle und einen Liliputanertisch, auf dem die Gäste ihren schwarzen Morgenkaffee trinken konnten, draußen ebenso geblendet wie drinnen. Auch auf akustische Reize hatte die Direktion nicht verzichtet. Nirgends, weder in der Halle noch in den Lifts, entkam der Gast den rhythmischen Klängen griechischer Volksmusik. Havelock führte die olivhäutige Frau aus dem Lift, und als die Tür sich schloß, standen sie beide einen Augenblick in gespielt erwartungsvoller Haltung da. Die Musik war verstummt; sie seufzten erleichtert.
    »Zorba macht Pause«, sagte Michael und wandte sich nach links zu seinem Zimmer.
    »Endlich«, sagte die Frau und lachte. Sie fuhr sich durch das schwarze Haar und strich das lange weiße Kleid glatt, das gut zu ihrer dunklen Haut paßte und ihre makellose Figur vorteilhaft hervorhob. Ihr Englisch hatte einen starken Akzent, so wie man ihn auf jenen Mittelmeerinseln spricht, auf denen die Reichen den Sommer verbringen. Sie war eine teure Kurtisane, deren Kunden zur Prominenz des Geldadels zählten. Die Frau hatte Verstand und Humor; daher wußte sie, daß die Zeit, die ihr für ihr Vergnügen zur Verfügung stand, beschränkt war. Offensichtlich machte sie das Beste daraus. »Sie haben mich gerettet«, fuhr sie fort und drückte Havelocks Arm, als sie den Korridor hinuntergingen. »Entführt habe ich Sie«, sagte er.
    »Wo hört das eine auf, und wo fängt das andere an?« antwortete sie und lachte wieder.
    Es war ein wenig von beidem gewesen. Michael war auf der Marathonos-Straße einem Mann begegnet, mit dem er vor fünf Jahren im Thermaikos-Sektor zusammengearbeitet hatte. Der lud ihn zu einer Dinnerparty ein, die am selben Abend in einem Cafe in der Nähe des Syntagna-Platzes gefeiert wurde. Dort lernte Havelock die Frau in Begleitung eines wesentlich älteren, unfreundlichen Geschäftsmannes kennen. Havelock hatte neben ihr gesessen, und nach mehreren Ouzos hatten sich ihre Beine und Hände berührt, Blicke waren ausgetauscht worden. Schließlich hatten Michael und die Kurtisane sich weggestohlen.
    »Ich glaube, morgen bekomme ich es mit einem sehr zornigen Athener zu tun«, sagte Havelock, während er die Tür zu seinem Zimmer öffnete und die Frau hineinführte.
    »Seien Sie nicht albern«, erwiderte sie. »Er ist kein Gentleman. Er ist aus Epidaurus; dort gibt es keine Gentlemen.
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