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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd
Autoren: Stephen Fry
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Begehren vergleichbar waren. Und sie war die einzige Frau, die ich je getroffen habe, die am liebsten Whisky trank. Vielleicht gibt’s da einen Zusammenhang.
    Janes Haus fand sich irgendwo in der Nähe von Onslow Gardens. Sie hatte Geld in ihrem Beutel, keine Frage, bestimmt eine kleine Aufmerksamkeit ihres Onkels Michael, und wie jedes reiche, unbedarfte Gör heutzutage sah sie sich als Innenarchitektin.
    »Die Leute haben gesehen, was ich aus der Wohnung gemacht habe«, sagte sie, als das Cab vor dem üblichen South-Kensington-Portal aus weißen Säulen hielt, »und mich gefragt, ob ich ihnen nicht auch etwas Beistand leisten könnte.«
    Das Interieur entsprach meinen schlimmsten Befürchtungen.Scheußliche Girlanden mit Volantbordüren als Vorhänge, Rohseide anstelle von Tapeten, Sie können sich das ganze ausgelutschte Tohuwabohu bestimmt selbst vorstellen. Von so barbarischer Häßlichkeit, daß es das lauteste Testament eines hohlen und leeren Lebens herausschrie, das mir je untergekommen ist. Was für ein hundsmiserabler Nichtstuer, wie verdammt gelangweilt muß jemand sein, fragte ich mich, der sich hinsetzt und opulenten Müll dieses Ausmaßes zusammenfantasiert? Sie stand mit hochgezogenen Augenbrauen mitten im Zimmer und wartete auf meine gurgelnden Bewunderungsschreie. Ich holte tief Luft.
    »Das hier ist eins der widerlichsten Zimmer, in denen ich in meinem ganzen Leben gestanden habe. Es ist genauso scheußlich, wie ich erwartet hatte, und genauso scheußlich wie die zehntausend Zimmer, die man trifft, wenn man hier im Kreis pißt. Es beleidigt das Auge und bildet den schändlichsten Cocktail aus überschätzten Klischees, der sich außerhalb von Beverly Hills finden läßt. Ich würde meinen Arsch sowenig auf diesem Sofa mit seinen kunstvoll sich beißenden und dynamisch drapierten Kissen plazieren, wie ich Hundekot fressen würde. Ich gratuliere zur Verschwendung einer kostspieligen Erziehung, einer Bank voll Geld und deines ganzen jämmerlichen Lebens. Und tschüs.«
    Das hätte ich gesagt, hätte ich nur zwei Fingerbreit mehr Whisky intus gehabt. Statt dessen schaffte ich ein ersticktes: »Mein Gott, Jane …«
    »Gefällt’s dir?«
    »Gefallen ist das falsche Wort… es ist, es ist…«
    »Ich hab mir sagen lassen, ich hätte ein Auge dafür«, räumte sie ein. »›Homes and Interiors‹ war letzte Woche zum Fototermin hier.«
    »Kann ich mir vorstellen«, sagte ich.
    »Du hättest den Laden sehen sollen, bevor ich eingezogen bin!«
    »Dieses Gefühl für Licht und Raum«, seufzte ich. Immer auf Nummer Sicher.
    »Männer wissen so was im allgemeinen nicht zu schätzen«, sagte sie anerkennend und ging zur Bar hinüber.
    »Sieh zu, daß du Land gewinnst, du arme alte Schlampe«, befahl ich mir, während meine feige ausgebreiteten Arme verkündeten: »Selbst ein Mann muß angesichts dieser gekonnten, geschmackvollen Komposition des Exotischen mit dem Einheimischen doch einfach zu Boden gehen.«
    »Du hattest Macallan, hab ich gesehen«, sagte sie. »Ich hab auch Laphroaig, falls du den bevorzugst.«
    »Nein, nein, der Macallan ist in Ordnung.«
    Sie brachte die Drinks mit, zog ein Bein unter den Körper und sank auf eine Ottomane, die auf debile Weise mit einem Muster bezogen war, das sich, wie ich annahm, als von einem Leichenhemd der Maya oder einem mystischen Menstruationstuch aus Bali inspiriert herausstellen würde. Die große Absicht hinter dieser elenden Episode kultureller Vergewaltigung und den anderen, nicht minder hinfälligen, nicht minder unangebrachten Spielereien, die dieses erschreckende Zimmer verunstalteten, war, dachte ich mir, daß Jane sich dort ausstellte, umgeben von Freunden, deren Spektrum von Trinkgewohnheiten die aneinandergereihten, unglaublichen Mengen unangebrochener Liköre, Aperitifs und Schnäpse plausibel machte, während sanfte, gleichwohl tiefsinnige Konversationsfetzen wie Federbälle durch den Raum flogen. Statt dessen saß sie da, zitterte immer noch wie ein Backfisch, einzig in Gesellschaft eines Mannes, der heruntergekommen und weg vom Fenster war, aber einst ihre Eltern gekannt hatte. Und der wünschte sich trotz der angebotenen Gallonen Gratiswhisky meilenweit weg.
    Sie schwenkte ihren Drink im Glas.
    »Als erstes solltest du wissen«, sagte sie endlich, »daß ich im Sterben liege.«
    Oh. Klasse. Super. Einfach genial.
    »Jane …«
    »Es tut mir leid.« Sie zündete sich mit ruckartigen Bewegungen eine Zigarette an. »Das war nicht besonders
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