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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel
Autoren: V.C. Andrews
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sie enttäuscht. Dabei war es nur ein einziger Mann gewesen, soviel ich wußte.
    Unsere Möbel gehörten verschiedenen Stilrichtungen an, aber alle waren ausgefallen und kunstvoll. Es schien so, als bemühte sich jeder Stuhl, jeder Tisch, jedes Sofa, jede Lampe, jedes Kissen darum, die anderen zu übertreffen. Tante Elsbeth schimpfte zwar auf die Möbel, aber Mammi nahm oft meine Hand und führte mich ehrfürchtig von einem Zimmer zum anderen, um mir zu erklären, daß dieser Tisch ›im Renaissance-Stil‹ gearbeitet war, hergestellt von Berkey und Gay, Grand Rapids, Michigan.
    »Das sind alles Antiquitäten, Audrina. Sie sind alle ihr Gewicht in Gold wert. Das Bett in meinem Zimmer ist fünfhundert Jahre alt. Früher einmal haben Könige und Königinnen hinter seinen Vorhängen geschlafen.«
    Hinter uns schnaubte meine Tante verächtlich und ungläubig.
    Andere Leute hatten Strom in allen Zimmern; wir nur in der Küche und in den Badezimmern. In den anderen Zimmern benutzten wir Gaslampen, weil Mammi fand, daß sie ihrer Haut schmeichelten. Meine Tante fand sie Sch- (aber ich durfte viele der Worte nicht benutzen, die meiner Tante so schnell über die Lippen kamen). Nochmehr als Gaslampen liebte meine Mutter brennende Kerzen und Holzscheite im Feuer, die knisterten und knackten und tanzende Schatten an die dunkel getäfelten Wände warfen. Unsere Küche fiel völlig aus dem Rahmen mit all den modernen Geräten, die das Leben für Mammi erträglich machten. Denn sie haßte jede Art von Arbeit, kochte aber liebend gern die Feinschmeckermenüs, die mein Vater so gern aß.
    Von allen Zimmern liebten wir den neurömischen Salon am meisten. Dort lag Mammi in einem dünnen Négligée oder Sommerkleid auf der scharlachroten SamtChaiselongue, deren goldene Kordeln matt geworden waren und überall dort, wo sie nicht von Troddeln festgehalten wurden, abzufallen drohten. Mammi schien aber nicht zu bemerken, daß die Sprungfedern an ein paar Stellen herausstanden und daß die Polsterung herausquoll. In eleganter Haltung lag sie auf der Couch, las ihre Romane und hob gelegentlich die Augen, um verträumt in die Ferne zu starren. Ich vermutete, daß sie sich einbildete, in den Armen des hübschen Liebhabers zu liegen, der auf dem bunten Umschlag ihres Buches abgebildet war. Mutig nahm ich mir vor, eines Tages selbst solche Romane zu lesen, die gleichzeitig schön und böse sein mußten–aber woher ich wußte, daß es böse Bücher waren, hätte ich nicht sagen können, denn ich hatte noch niemals eines gelesen. Aber halbnackte Menschen auf dem Umschlag, das erschien mir schon sehr böse.
    In Papas riesigem, rundem Arbeitszimmer, das sich direkt unter der Kuppel befand, standen Tausende von uralten Büchern und viele schöne Ausgaben von Klassikern, die niemand außer Tante Elsbeth und mir las. Papa sagte, er hätte keine Zeit, sie zu lesen. Aber immer wieder fügte er der Sammlung neue Lederbände hinzu, als hoffe er, daß seine Freunde dächten, er würde sie lesen.
    Mammi versteckte ihre Taschenbücher im Schlafzimmerschrank und tat so, als würde auch sie die hochangesehenen, auf feinem Papier gedruckten und in Leder gebundenen Geschichten lieben.
    Einige dieser klassischen Bücher beinhalteten wirklich Böses. Jedenfalls behauptete das meine Cousine Vera, die mich immer darüber aufklärte, was böse war und was nicht.
    Ich hatte es gern, Mammi auf der Couch liegen zu sehen. Hinter ihr stand ein Konzertflügel, den ihr Vater ihr geschenkt hatte, als sie bei einem Musikwettbewerb den ersten Preis gewonnen hatte. Wie oft hat sie mir erzählt, daß sie in den besten Konzerthallen hätte spielen können. Aber Papa hatte keine Musikerin zur Frau gewollt. »Besser, du hast kein zu großes Talent, Audrina. Die Männer mögen es nicht, wenn eine Frau die Möglichkeit hat, mehr Geld zu verdienen als sie.«
    Ihre Hand schwebte abwärts. Ohne auch nur hinzusehen, fand sie genau das Stück Schokolade, das sie haben wollte, und steckte es sich in den Mund. Mein Vater befürchtete, sie würde zuviel Schokolade essen und fett werden. Aber das wurde sie nie.
    Meine Mutter war groß und dort rundlich, wo eine Frau rundlich sein soll, und überall dort schlank, wo eine Frau schlank sein soll. Mein Papa hat mir oft erzählt, daß sie die schönste Frau an der Ostküste gewesen sei. Viele reiche und gutaussehende Männer hatten um die Hand meiner Mammi angehalten, aber es war Damián Jonathan Adare gewesen, der meiner Mutter mit seinem guten
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