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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman
Autoren: Titus Müller
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raunte: »Tu alles, was mein Fahrgast sagt, zu seiner vollen Zufriedenheit, ja? Dann fällt sicher
     was für dich ab.«
    Sein Fahrgast. Der Fremde war mit Trumm hier angekommen. Er war weit gereist. Kam er womöglich aus Frankreich? Kannte er seine
     wirklichen Eltern, hatten sie ihn geschickt? Die Augsburger Familie war eine Erfindung, die er seit Jahren erzählte. Die Wahrheit
     war, daß er nichts wußte, daß er die, die ihn verstoßen hatten, bisher nicht ausfindig gemacht hatte; er vermutete allerdings,
     daß sie aus Frankreich stammten. Was, wenn der Fremde ihr Abgesandter war? Nemo, der Niemand, würde der Vergangenheit angehören.
     Er würde erfahren, wer er war.
    Er stemmte die Kiste in die Höhe. Sie wog schwer. Trumm kam ihm zu Hilfe und schob sie ihm auf den Rücken. Vornübergebeugt
     schleppte sich Nemo voran in Richtung Torbaustelle.
    |35| Es gab auch eine andere Möglichkeit. War er ein verstoßener Bastardsohn einer reichen Familie, dann konnte es sein, daß man
     ihn umbrachte, um die Erbfolge zu sichern. Der Fremde könnte gut und gerne ein gedungener Meuchler sein. Er sollte vielleicht
     mit der Vergangenheit einer noblen Dame aufräumen, den Schandfleck Nemo ein für alle Mal beseitigen.
    Oder der Dominikaner schickte ihn, der, den sie den Weisen Weißen nannten. Er hatte damals den Spitalorden verfolgt, unerbittlich,
     bis auch der letzte Ordensbruder tot oder geflohen war. Nemo hatte rechtzeitig untertauchen können. War man ihm nun auf die
     Schliche gekommen? Es genügte, daß der Fremde bei den Franziskanern nach ihm fragte, und schon wußte er, daß er belogen worden
     war.
    »Ein neuer Mauerring?«
    »Ja. Wenn das Isartor fertig ist, ist er abgeschlossen.« Die Kiste schnitt in seine Finger. Hoffentlich riß er sich keinen
     Holzsplitter unter die Haut.
    Sie passierten die Baustelle. Danach ging es ein wenig leichter. Die Straße führte in eine Senke hinunter zum Kaltenbach.
     Nemo hielt sich hinter einem Eselkarren, der mit Tongeschirr beladen war. Bei jeder Bodenunebenheit schepperte es. Er schwitzte.
    Auf der Angerwiese schnatterten Gänse. Frauen wuschen im Kaltenbach Wäsche. An der Roßschwemme tränkte ein Kaufmann seine
     Pferde. Nemo überquerte die Brücke. Der Schatten des Kaltenbachtors verschluckte ihn, er konnte im Dunkel nur wenig sehen.
     Dann trat er wieder ins Licht. Die Toraufbauten standen nur noch zur Hälfte, Handwerker verluden die Steine und fuhren sie
     zum neuen Torbau. In wenigen Monaten würde das alte Tor verschwunden sein. Niemand brauchte es. Wozu war es überhaupt gebaut
     worden, mitten zwischen altem und neuem Mauerring? Man dachte damals wohl, die Stadt würde nur wenig wachsen.
    »Viel Platz innerhalb des neuen Rings«, stellte der Fremde fest.
    |36| Nemo sagte: »Bald werden überall Häuser stehen. München ist jetzt die Stadt des Kaisers. Jeder will hier wohnen.«
    Es ging wieder bergauf. Sein Nacken begann zu schmerzen. Wenn er Pech hatte und sich verrenkte, würde er die ganze Nacht kein
     Auge zutun deswegen. Endlich erreichten sie das Talburgtor im inneren Mauerring. Hier stauten sich Menschen und Fuhrwerke.
    »Müssen wir einen Einfuhrzoll bezahlen?« fragte der Fremde.
    »Was ein Mann tragen kann, das ist zollfrei.«
    »Gut.«
    Fürchtete er, die Kiste öffnen zu müssen? Was enthielt sie? Wenn Nemo sie fallen ließ, würde sie vielleicht aufbrechen. Waren
     Messer darin, Giftfläschchen, ein Brief der Auftraggeber? Möglicherweise schleppte er aber auch kostbare Kleider für diesen
     Mann, mit Messingknöpfen besetzte Röcke, einen Pelzmantel, feine Kambrikhemden, und der Fremde hatte sich nur in die unauffällige
     Kutte gehüllt, um Straßenräubern zu entgehen. Er war ein schlechter Betrüger. Er wirkte ganz und gar nicht wie ein armer Mann.
     Sein Auftreten paßte eher zu Brokathemden als zu abgewetzter Kleidung. Offenbar wußte er nicht, daß die Verkleidung nur der
     Lauffaden im Spinnennetz war. Gesten und Blicke und die Wortwahl entschieden darüber, ob man Beute machte.
    Sie standen. Es ging nicht weiter. Vorn rief ein Zöllner: »Saumtiere und Wagen nach rechts!«
    Eine Männerstimme protestierte: »Ich zahle Bürgersteuer und Grabengeld. Ich leiste Wachdienst auf der Mauer. Jetzt soll ich
     auch noch für diesen halbleeren Wagen Zoll entrichten?«
    »Ist das Trockengut?« fragte der Zöllner.
    »Einerlei, was es ist. Laßt mich durchfahren.«
    »Trockengut sind in Ballen verpackte Waren, Tuche, Wolle, Felle, Eisen, gedörrte
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