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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Kunst und ihren mannigfaltigen Tugenden! Wurden sie denn nicht nach dem Gebot des Evangelisten zu Eunuchen des Himmelreichs gemacht?

|25| DISKURS II
    Darin, zwei Jahre später, abermals das Glück in Paris gesucht wird.
    Verflucht sei der Tag, da ich dir begegnet,
    Musik, ewiger Tod,
    derer, die dich bei Hofe ausführen.
    Warum zerspringt mir das Herz nicht
    so wie die Saiten springen?

    Im trunkenen Gesang, mein junger Atto, schwoll dir die jugendliche Brust, während deine langen Arme und die zarten Finger des Kastraten gleich einer Bittschrift Voluten an den Himmel zeichneten, der am Horizont mit dem Blau des Mare Nostrum verschmolz, wie die alten Römer das Mittelmeer zu nennen beliebten.
    Der Dezemberwind, der über das Meer wehte, peitschte deinen Hals, du hättest dich diesen Gefahren nicht aussetzen sollen. Bekleidet warst du mit jenem fleischfarbenen damastenen Hemd, das du zum ersten Mal in Rom trugst, an jenem denkwürdigen Abend im Palazzo Barberini, als das Toben des Applauses fast die Fresken von der Decke gelöst hätte. Seither hast du dieses Hemd jeden zweiten Tag angezogen, im Glauben, es brächte dir Glück.

    Nun aber schrieben wir das Jahr 1646; zwei Jahre waren seit der ersten Reise nach Paris vergangen. Wir befanden uns als Gäste auf einer Galeere der französischen Kriegsflotte, einem schlanken Schiff mit ungewöhnlich reicher Verzierung, beginnend bei der prächtigen Galionsfigur, die den Bug schmückte. An Bord waren nur wenige Matrosen, die Bänke der Ruderer waren nur halb besetzt, das Segel am einzigen Mast ward feierlich vom Wind gebläht.
    Die Überfahrt hatte soeben begonnen. Zielhafen in Frankreich war dieses Mal nicht Marseille, sondern der Militärhafen von Toulon. Von dort würde ich den üblichen Brief an den Hauptmann Sozzifanti schreiben müssen, meinen Padrone und deinen Paten, um ihn zu beruhigen, dass alles gutgegangen war.
    Noch kreuzten wir im Viereck zwischen Livorno, Korsika und Orbetello, in dem, umgeben von fischreichen Gewässern, die Inseln des |26| Toskanischen Archipels Giglio, Pianosa, Elba, Capraia und Gorgona liegen, nützliche Stellungen für das Ausspähen von Piratenschiffen, doch auch geeignet, Verbrecher und arme Irre dort auszusetzen. Diese Inseln sind vor allem von vitaler Bedeutung für die militärische Sicherheit des Großherzogtums, welches von hier aus den Schiffsverkehr zwischen dem Ligurischen und dem südlichen Tyrrhenischen Meer kontrolliert, und damit auch jenen zwischen Frankreich und dem spanischen Vizekönigreich beider Sizilien.

    Du probtest das berühmte Duett aus der
Finta Pazza
, das du zwei Jahre zuvor in Paris und davor noch in Venedig, eben fünfzehnjährig, gesungen hattest. Dein Partner setzte rechtzeitig ein, mit einem amüsanten nasalen Stimmchen sang er die Rolle der Prinzessin Deidamia:

    »Was murrst du, halber Mann?«

    Dann fing er lauthals an zu lachen. Barbello war es, der kleine, rundliche Kastrat aus Venedig, dessen kastanienbraune, zu einem Pagenkopf geschnittene Haare ihm tief in die Stirn bis fast über die Augen fielen und dessen Wangen mit falschen Muttermalen und Bleiweiß geschminkt waren. Obwohl es doch auch das seine war, spottete er gern über dein weibisches Wesen, denn er konnte dich mit seinen Sticheleien gehörig aus der Fassung bringen.
    »
So nehmt den Lorbeer, die Palmzweige und die Tressen
«, rezitierte er sodann mit feierlichem Ernst. Wie üblich waren es Verse aus dem
Adone
von Marino, den er stets in einem Sack aus gewachstem Leinen bei sich zu tragen pflegte.
    »Es ist eiskalt, Signorino Atto«, ermahnte ich dich. »Wenn Ihr jetzt Eure Stimme verliert, könntet Ihr Euch ebenso gut gleich vom Schiff stürzen und niemals in Paris ankommen. Und schlagt Euch endlich diese
Finta Pazza
aus dem Kopf. Dieses Mal wird in Frankreich doch eine neue musikalische Komödie eingeübt, oder irre ich mich?«
    Während Barbello dir die Krone auf den Kopf setzte, warfst du mir einen finsteren Blick zu. Der Gedanke, dass du nicht wusstest, was man dir in Paris zu singen geben würde, quälte dich. Diese zweite Reise zu Ruhm und Ehren auf französischem Boden begeisterte und ängstigte dich gleichzeitig. Würde dein zweiter Auftritt bei Hofe ebenso viel Aufsehen erregen wie jener zwei Jahre zuvor? Würde er |27| ebenso viel Applaus bekommen? Insgeheim hegtest du die entsetzliche Befürchtung, man könnte dir eine alberne Nebenrolle andrehen.
    Selbst dein Lehrer, Maestro Marcantonio Pasqualini, genannt Malagigi, der uns
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