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Das Monopol

Titel: Das Monopol
Autoren: Nicolas Kublicki
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zum Fenster. Die starken Scheiben waren von den Spuren endloser Regenschauer streifig geworden. Draußen ging aus dunklen Wolken wieder ein Eisregen auf die roten Dachziegel nieder.
    Global Steel. Er war so nahe dran gewesen, diesen Fall zu gewinnen, den so viele andere für aussichtslos gehalten hatten. Mit einem Sieg hätte er so sehr geglänzt, dass er nach drei Jahren Fronarbeit bessere Fälle bekommen hätte – und hätte damit sogar Jarvik ausgestochen. Aber das konnte sein Boss auf keinen Fall zulassen. Indem er Global einem anderen Anwalt übergab, verhinderte Jarvik, dass Carlton sich profilierte – und konnte gleichzeitig die unglückselige Versetzung ins Feld führen, falls das DOJ den Prozess verlor. Sauber eingefädelt. Und Jarvik war es vollkommen gleich, wer die wirklichen Verlierer waren, die Geschädigten von Global Steel: das amerikanische Volk.
    Carlton stammte aus der unteren Mittelschicht, hatte die High School seiner katholischen Gemeinde mit einer hervorragenden Note und einem Nachweis über regelmäßigen Schulbesuch abgeschlossen und war dann von El Centro in Kalifornien fortgezogen, um die UCLA zu besuchen. Das Studium finanzierte er mit Gelegenheitsjobs im Jachthafen. Er schuftete hart. Er hatte ein Ziel und wollte es erreichen. Geld. Die Achtzigerjahre, in denen Carltons Charakter geformt wurde, waren das Jahrzehnt der Gier. Für ihn und seine Altersgenossen waren ein dickes Gehalt, ein deutscher Sportwagen und ein Apartment in einer schicken Gegend das Einzige, was zählte. Und seine harte Arbeit machte sich bezahlt: Er wurde von der Juristischen Fakultät der George Washington University angenommen. Drei aufreibende Jahre später hatte er sein Ziel erreicht: einen Job in einer der zehn renommiertesten Kanzleien in Washington für ein sechsstelliges Jahresgehalt.
    Doch die berufliche Praxis in einer Washingtoner Kanzlei entsprach nicht ganz seinen Erwartungen. Weder der bekannte Name noch das exorbitante Gehalt konnten die Mängel wettmachen. Carlton war gerade zwei Monate dabei, als er der Kanzlei schon den Spitznamen »die Winkeladvokaten« verpasst hatte. Mehr und mehr fragte er sich, welche Möglichkeiten sich ihm noch boten.
    Sollte das alles gewesen sein? Hatte er die endlosen Repetitorien im Studium nur deshalb erduldet, um jetzt diese hirnrissige Arbeit zu tun? Jeden Tag waren bedeutungslose Memos an gesichtslose Mandanten zu richten. Zeugen wurden hingehalten. Endlose Recherchen mussten erledigt werden. Der Nachtschlaf war begrenzt, obendrein wurde Carlton immer wieder von Panikattacken heimgesucht. Die Gerüchte, die während des Studiums umgingen, entsprachen der Wahrheit. Ein Klischee, gewiss – aber nun hatte er tatsächlich sein Leben, seine Gesundheit und seine Seele für ein Gehalt verkauft. Drei Jahre später gab Carlton den fetten Gehaltsscheck auf und ging ins Justizministerium, da er hoffte, die praktische Arbeit vor Gericht werde etwas verändern. Aber bislang hatte sich nichts verändert außer seinem Gehalt, das zu einem Hungerlohn geschrumpft war.
    Ein leises Klopfen schreckte Carlton aus seinen trüben Gedanken. Er drehte sich um. »Ja?«
    Die junge Anwältin mit den grünen Augen spähte durch den Türspalt. »Alles in Ordnung bei Ihnen?«
    Carlton bemühte sich um ein Lächeln, versagte jedoch kläglich. »Ehrlich gesagt, nein. Aber danke, dass Sie mich gewarnt haben.« Er hielt ihr die Hand hin. »Wir sind uns noch nicht vorgestellt worden. Ich bin …«
    »Patrick Carlton.« Sie lächelte. »Ich heiße Erika Wassenaar.«
    Carlton war erstaunt über ihren festen Händedruck. Und über sein Herzklopfen.
    Die junge Rothaarige, die Mitte zwanzig sein mochte, war um die eins siebzig groß und schlank. Ihr Auftreten strahlte eine Sicherheit aus, die man üblicherweise erst nach mehreren Jahren Berufserfahrung erwarb. Aus ihren lebhaften Augen sprühte die Neugier. In der vorschriftsmäßigen Amtskleidung – marineblaues Jackett und weiße Bluse – strahlte sie Frische aus, und beim Lächeln zeigte sie schimmernd weiße Zähne, die ein wenig schief standen und ihrer Erscheinung einen mädchenhaften Zug verliehen.
    Carlton zwang seine Gedanken wieder in berufliche Bahnen. »Sie sind neu im Ministerium, nicht wahr?«
    »Seit zwei Wochen. Die Tinte auf meiner Anwaltszulassung ist gerade erst trocken.« Sie lachte unbeschwert, wie ein Kind.
    »Meinen Glückwunsch. Das ist beeindruckend.« Das DOJ stellte nur die Besten der Besten ein.
    »Danke sehr, Mr
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