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Das Monopol

Titel: Das Monopol
Autoren: Nicolas Kublicki
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noch einmal sehen lassen. Haben Sie das in dieser Snob-Kanzlei gelernt, in der Sie vorher beschäftigt waren?«
    Jarvik war ein kleiner, ungeduldiger Mann, der gern größer schien, als er war, indem er andere zurechtstutzte. Die Mitarbeiter der Kartellabteilung nannten ihn »Stalin«. Er war untersetzt und dick. Sein dichter Schnauzbart und der stechende Blick ließen ihn finster wirken. Jarvik musterte Carlton scharf, bis sein Blick an den blank geputzten Markenstiefeln haften blieb.
    »Guten Morgen, Sir«, sagte Carlton. »Ich habe gestern noch bis spät in die Nacht an Global Steel gearbeitet. Deshalb bin ich so spät, und …«
    »Aber sicher. Und morgen haben Sie dann eine andere Entschuldigung.« Jarvik erhob sich. »Halten Sie mich für so dämlich?«
    Wenn ich die Wahrheit sage, wird es nur noch schlimmer, dachte Carlton. »Tut mir Leid, Sir.«
    Jarvik grunzte und deutete mit seinem dicken Finger auf den Besucherstuhl. »Setzen Sie sich.«
    Carlton legte Mantel und Schal ab und hängte sie auf seinen alten Hutständer. Er räumte einen Stapel juristischer Fachzeitschriften von dem rissigen Lederbezug, ließ sich auf dem Stuhl nieder und erwartete das Urteil, wie ein Bittsteller in seinem eigenen Büro.
    »So«, sagte Jarvik und lehnte sich bequem zurück. »Dann verraten Sie mir doch mal, was Sie über Diamanten wissen.«
    »Diamanten?« Carlton überlegte, ob mit der Frage weitere Demütigungen verbunden waren. »Ich weiß nichts über Diamanten, Sir. Außer, dass sie sehr teuer sind.«
    »Das dachte ich mir. Die meisten Leute wissen nichts über die Klunker, aber Rothenberg ist ganz verrückt danach.« Jarvik sprach von der Referentin des Staatssekretärs, die auch für die Kartellabteilung zuständig und somit Jarviks unmittelbare Vorgesetzte war. »Sie ist verrückt nach den Steinchen. Jetzt hat sie sich in den Kopf gesetzt, irgendeine Familie in Arkansas, die eine Diamantenmine besitzt, wegen Verletzung der Kartellbestimmungen anzuklagen.«
    »Diamanten in Arkansas? Ich dachte, Diamanten kämen aus Afrika.«
    »Das Vorkommen in Arkansas ist winzig. Ein Scherz von Mutter Natur, sagen zumindest die Geologen. Die Mine gehört Privatleuten und ist nach ihnen benannt: Raymond Mines. Schon ziemlich verrückt, wenn Sie mich fragen. Es gibt kaum Beweise, aber die Rothenberg glaubt, die Raymonds hätten Geld angenommen, um die Förderung einzustellen, und nun will sie auf Nummer sicher gehen, dass wir die Sache straf rechtlich verfolgen. Und Sie sind der Glückliche. Ich ziehe Sie vom Global-Steel-Fall ab und übertrage Ihnen Raymond Mines.«
    Carlton konnte es nicht fassen. »Was?« Er brachte nur ein Krächzen zu Stande.
    »Sie haben mich schon verstanden!«
    Zum Glück saß Carlton bereits, sonst hätte es ihn umgehauen. »Von Global abziehen? Sir, ich arbeite seit sechs Monaten an dem Fall! Ich habe alle Prozessvorbereitungen getroffen. Die Zeugen. Die Anklagestrategie. Die Fragen für die Kreuzverhöre vorbereitet. Alles!« Er stand auf, war kurz davor, die Fassung zu verlieren. »In einer Woche ist der Prozess. In einer Woche, Sir! Und Global ist ein Netz von Unternehmensverflechtungen. Dutzende von Zeugen. Ein anderer Anwalt wird Wochen brauchen, um da erst einmal den Durchblick zu kriegen!« Er atmete tief ein und aus. »Ich werde keine …«
    »Setzen Sie sich wieder hin! Der Fall ist für Sie abgeschlossen, Carlton. Definitiv. Sie bearbeiten jetzt Raymond Mines.« Jarvik stand auf und machte eine abschließende Handbewegung. »Ich schicke Ihnen die Akte.« Er ging zur Tür, drehte sich noch einmal um. »Und noch eins: Ich will, dass Sie das schnell erledigen. Ich weiß, wie viel Rothenberg daran liegt, und sie ist der Boss, aber das DOJ hat noch nie einen Fall gewonnen, bei dem es um Diamanten ging. Bei Raymond Mines wird es nicht anders sein. Und was unsere Abteilung am wenigsten gebrauchen kann, ist noch einmal schlechte Presse. Rothenberg hin oder her, Sie werden nicht die Glaubwürdigkeit unserer Abteilung aufs Spiel setzen, indem Sie diesen Fall bis zum Prozess treiben. Arbeiten Sie auf einen Vergleich hin, damit wir etwas vorzeigen können. Dann sehen Sie weiter.«
    »Sir, ich …«
    »Einen Vergleich!«, rief Jarvik, senkte die Stimme dann zu einem Flüstern. »Hab ich mich klar genug ausgedrückt?« Carlton ballte die Fäuste. »Ja, Sir.«
    »Gut.« Jarvik marschierte aus dem Zimmer und schlug die Tür zu.
    Carlton saß eine ganze Weile still da. Er kochte innerlich. Dann stand er auf und ging
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