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Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht

Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht

Titel: Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt <München>
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Volksheim, das nur wenig Armut und Elend kennt (auch
wenn die grausamsten Verbrechen gern in schwedischen Krimis begangen werden).
    Praktisch das gesamte 19. Jahrhundert hindurch, als England und die Niederlande bereits stabile Zuwächse an Lebenszeit und Einkommen verzeichneten, kam es in Schweden zu drastischen Einbrüchen der Lebenserwartung, zu Hungersnöten und tödlichen Epidemien. Solche Desaster hat es immer wieder gegeben. Nach einer Legende aus dem 16. Jahrhundert kamen Könige und Räte nach der großen Hungersnot um 1540 zu dem Schluss, dass jeder zehnte Bürger das schwedische Heimatland verlassen und auswandern müsse, da zu wenig Nahrung für alle vorhanden sei. Die Hungersnot von 1866 bis 1868 in Nordschweden und Finnland, verursacht durch Ernteausfälle und lange Winter, forderte etwa 270 000 Tote. Die Linie der schwedischen Wohlstandsentwicklung verläuft bis ins 20. Jahrhundert hinein chaotisch. Erst von 1900 an verstetigt sich der Wohlstandsfortschritt, mit einem Einbruch um 1918. Seitdem strebt Schweden enorm schnell nach oben – weit vor anderen Nationen erreichte es einen Massenwohlstand, aus dem kaum jemand ausgeschlossen war. Besonders auffällig ist die Diagonalität der schwedischen Wohlstandskurve in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Lebenserwartung und mittleres Einkommen entwickeln sich parallel (eine kleine »Wohlstandsdelle« entsteht in der Wirtschaftkrise zu Beginn der neunziger Jahre).

    Die Schweden lebten immer schon in einer herausfordernden Natur mit kurzen Ernteperioden. Das kalte, raue Land bot in der vortechnischen Agrargesellschaft nur unsichere Nahrungsgrundlagen für die Bevölkerung. Aber gerade weil die Umgebung so harsch war, entwickelten sich in den skandinavischen Gesellschaften schnell Inseln der Kooperation, die sich auf die Gesellschaft als Ganzes ausbreiteten. Eine wichtige Rolle spielen dabei kulturelle Faktoren. Das Einzelgängertum ist in der skandinavischen Kultur zwar ausgeprägt (viele lebten ja tatsächlich alleine auf versprengten Höfen oder Hütten), aber es ist durch gegenseitige Hilfsbereitschaft abgesichert. Allein kann man die harten Winter nicht überleben. Zusammenhalt und Solidarität der schwedischen Gesellschaft, ihr starker Familiensinn, geprägt und verstärkt durch den religiösen Pietismus, bot Schweden zu Beginn der Industriellen Revolution einen enormen Vorteil. 5 Die Technisierung kam vergleichsweise schnell voran, und es gab weniger soziale Auseinandersetzungen und politische Krisen als in anderen Ländern. Das Sozialstaatsmodell ist unmittelbarer Ausdruck einer Solidarkultur, in der kirchliche Institutionen ursprünglich eine wichtige Rolle spielten.
    Anders verläuft die Wohlstandsentwicklung in Deutschland. Hier ist die Geschichte von wiederkehrenden Krisenereignissen geprägt, die die ganze Gesellschaft erschütterten. Die beiden Weltkriege führen zu »Elendsschleifen« in der Wohlstandsentwicklung – Einkommen und Lebenserwartung sinken über ein, zwei Jahrzehnte, der Wohlstandsprozess dreht sich zeitweise um. Eine ähnliche Schleifenentwicklung findet sich nur noch in einigen afrikanischen Ländern wie etwa Zimbabwe und in China wieder, wo die Kulturrevolution das Land um Jahrzehnte zurückwarf.
    Die deutsche Kultur ist von einem starken Schwanken zwischen Individualismus und Kollektivismus geprägt. Die Ursache findet sich in der enormen kulturellen Spannung dieser Gesellschaft. Deutschland war immer eine vielgestaltige »Multikultur«, geprägt von Einwanderungswellen und Identitätskrisen. Der deutsche Nationalstaat wurde viel später gegründet als der britische, französische oder russische. Die Exzesse des Nationalsozialismus lassen
sich auch als Versuch einer »gewaltsamen Homogenisierung« lesen, ausgetragen mithilfe mörderischer Ideologien und Feindbilder.

    Die ewige »German Angst« hat in dieser kollektiven Brucherfahrung sicherlich auch ihren Ursprung. Das Vertrauen in die Kraft der Zivilgesellschaft war lange Zeit keine Spezialität der Deutschen. Das ambivalente Verhältnis zum Staat lässt diesen gleichzeitig als große Mutter, von der man alles verlangen kann und muss, und als Moloch, der den »kleinen Mann« unentwegt bedroht, erscheinen. Überhaupt ist die Konstruktion des »kleinen Mannes« eine deutsche Spezialität; kein Engländer, Franzose, Amerikaner, Japaner würde sich diese Selbstdefinition zu eigen machen.
    Im Vergleich dazu muss das Beispiel Vietnam verblüffen. Auch dies ist ein durch
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