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Das Mädchen.

Das Mädchen.

Titel: Das Mädchen.
Autoren: Stephen King
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Mädchen im Wald pinkeln. Quilla Andersen (nur hatte sie damals noch Quilla McFar-land geheißen) hatte gesagt, das Erschlagen scheine Gnitzen und Stechfliegen eher noch anzulocken ... und es mache dem Schlagenden sein Unbehagen außerdem natürlich zunehmend bewußt. Was Insekten im Wald betrifft, hatte Mom gesagt, ist es besser, wie ein Pferd zu denken. Stell dir vor, du hättest einen Schweif, um sie damit wegzuwedeln.
    Während Trisha an dem umgestürzten Baum stand und die lästigen Insekten wegwedelte, ohne sie zu erschlagen, faßte sie eine große Kiefer in ungefähr vierzig Metern Entfernung ins Auge ... vierzig Meter nördlich, wenn sie die Orientierung nicht bereits verloren hatte. Sie marschierte auf den Baum zu, und sobald sie ihn erreicht hatte und mit einer Hand auf dem harzigen Stamm der großen Kiefer dastand, sah sie sich nach dem umgestürzten Baumstamm um. Gerade Linie? Sie glaubte schon.
    So ermutigt, visierte sie jetzt eine mit hellroten Beeren besetzte Gruppe von Sträuchern an. Ihre Mutter hatte sie ihr auf einer der Waldwanderungen gezeigt, und als Trisha ihr erklärt hatte, das seien todgiftige Vogelbeeren - das wußte sie von Pepsi Robichaud -, hatte ihre Mutter lachend gesagt: So, so. Die berühmte Pepsi ist also doch nicht allwissend. Irgendwie ist das eine Erleichterung. Das sind Scheinbeeren, Trish. Sie sind überhaupt nicht gißig. Sie schmecken wie Teaberry-Kaugummi, die Sorte im rosa Päckchen. Ihre Mutter hatte sich eine Handvoll dieser  Beeren in den Mund geworfen, und als sie nicht würgend und sich in Krämpfen windend zusammengebrochen war, hatte Trisha selbst ein paar Beeren gekostet. Sie fand, sie schmeckten wie Gummidrops, die grünen, von denen einem der Mund kribbelte.
    Sie ging zu den Sträuchern hinüber, überlegte, ob sie ein paar Beeren pflücken sollte, nur um sich aufzuheitern, und tat es dann doch nicht. Sie war nicht hungrig und hatte sich noch nie weniger imstande gefühlt, sich selbst aufzuheitern. Sie atmete den aromatischen Duft der wächsernen grünen Blätter ein (ebenfalls gut eßbar, hatte Quilla gesagt, aber Trisha hatte sie nie versucht - sie war schließlich kein Waldmurmeltier), dann sah sie wieder zu der Kiefer hinüber. Sie vergewisserte sich, daß sie weiter in gerader Linie unterwegs war, und wählte einen dritten Markierungspunkt - diesmal einen gespaltenen Felsen, der an einen dieser Hüte in alten Schwarzweißfilmen erinnerte. Als nächstes kam eine Gruppe von Birken, und von den Birken aus ging sie langsam zu einem üppigen Farngestrüpp mitten auf einem Abhang weiter.
    Sie konzentrierte sich so verbissen darauf, ihren jeweils nächsten Markierungspunkt im Blick zu behalten (Schluß mit dem ständigen Umdrehen, Herzchen), daß sie neben dem Farn stand, bevor ihr klar wurde, daß sie, ein echter Kalauer, den Wald vor lauter Bäumen nicht sah. Von Markierungspunkt zu Markierungspunkt zu gehen war schön und gut, und sie glaubte, es geschafft zu haben, eine gerade Linie einzuhalten ... aber was war, wenn die geradewegs in eine falsche Richtung führte? Vielleicht war die Richtung nur ein bißchen falsch, aber sie mußte von der Ideallinie abgewichen sein. Sonst hätte sie den Weg schon längst wieder erreicht. Also, sie war bestimmt ...
    »Verflixt«, sagte sie und hörte dabei in ihrer Stimme ein komisches kleines Gicksen, das ihr nicht gefiel, »ich muß eine Meile gegangen sein. Mindestens eine Meile.« Ringsum surrten Insekten. Gnitzen und Stechfliegen tanzten vor ihren Augen, die verhaßten Mücken schienen wie Hubschrauber um ihre Ohren zu schweben und gaben dabei ihr aufreizend an- und abschwellendes hohes Sirren von sich. Sie schlug nach einer, verfehlte sie und brachte nur ihr eigenes Ohr zum Klingen. Trotzdem mußte sie sich beherrschen, um nicht wieder nach einer Mücke zu schlagen. Fing sie damit an, würde sie zum Schluß wie eine Figur aus einem alten Zeichentrickfilm auf sich einprügeln. Sie ließ ihren Rucksack von den Schultern gleiten, hockte sich davor, öffnete die Schnallen und schlug die Klappe zurück. Hier waren ihr blauer Plastikponcho und die Papiertüte mit ihrem Lunch, den sie selbst zusammengestellt hatte; hier waren ihr Gameboy und die Sonnenschutzlotion (nicht mehr nötig, weil die Sonne völlig verschwunden war und die letzten blauen Wolkenlöcher über ihr sich jetzt schlössen); hier waren ihre Wasserflasche und eine Flasche Surge und ihre Twinkies und ein Beutel Kartoffelchips. Aber kein Insektenspray. Das hätte
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