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Das Mädchen von San Marco (German Edition)

Das Mädchen von San Marco (German Edition)

Titel: Das Mädchen von San Marco (German Edition)
Autoren: Katie Hickman
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Zauberkünstlerin hatte sich wieder in Bewegung gesetzt und wirbelte jetzt auch an Paul vorbei. Kein Zweifel, sie hielt den rosafarbenen, bestickten Beutel in der Hand. Der Blaue Stein des Sultans!
    Ambrose wurde erst totenblass und dann hochrot, und seine blassblauen Augen traten noch mehr hervor als sonst. Er öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus. Die Frau winkelte den Arm an, bog den Oberkörper nach hinten und tat so, als wollte sie das kleine Samtbeutelchen in die Luft werfen.
    »Halt! Du Diebin!« Ambrose hatte seine Stimme wiedergefunden. Doch es war zu spät.
    Vor den verblüfften Zuschauern löste sich der Beutel einfach in Luft auf.
    Sie streckte Ambrose die Hand hin. Auf der Handfläche lag eine kleine Silbermünze.
    Ambrose warf einen kurzen Blick darauf und schlug ihr das Geldstück wutschnaubend aus der Hand.
    » Ladra! Diebin! Wo ist er?« Er stürzte sich auf sie. »Was hast du mit meinem … mit meinem … meinem Eigentum getan?« Er packte die weißgesichtige Frau an der Kehle und schüttelte sie wie eine Ratte. »Her damit, du Taschendiebin!«, brüllte er wie ein wütender Stier, »was hast du damit gemacht, du Wanze? Gib es mir sofort zurück!«
    »Es tut mir leid, Signore, ich habe es nicht böse gemeint …«, keuchte die Frau.
    Doch Ambrose hatte die Hände um ihre Kehle gelegt. Die drei Musikerinnen legten ihre Instrumente zu Boden und eilten zu Hilfe. »Halt, halt, lasst sie los!«, schrien sie aufgeregt.
    Einige Männer lösten sich aus der Zuschauermenge, um Ambrose von der Frau fortzuziehen. Erst zu dritt hatten sie Erfolg.
    Die Frau lag nach Luft ringend am Boden. Sie war auf das Gesicht gefallen und hatte eine Schramme an der Wange. Sie wühlte in ihrem Kostüm und zog den kleinen Beutel hervor, den sie Ambrose zuwarf.
    »Hier ist der Beutel, Signore«, ächzte sie. »Nehmt ihn. Ich habe es nicht böse gemeint.«
    Ambrose nahm ihn ungeschickt in beide Hände. Sein von Wut und Gier verzerrtes Gesicht war rot gefleckt. Mit zitternden Fingern zog er an der Kordel, spähte in den Beutel, wog ihn in seiner Handfläche und schien zufrieden. Er drehte sich um und hastete blindlings auf die wartende Gondel zu.
    Paul blickte ihm nach. Er sah, wie die schwarze Gondel sich neigte und schaukelte, als Ambrose einstieg, hörte, wie das Wasser der Lagune gegen die Kaimauer klatschte, beobachtete, wie der Gondoliere sich abstieß und das schlanke schwarze Gefährt schließlich im Nebel verschwand.
    Die Vorführung war vorbei. Langsam zerstreute sich die Zuschauermenge. Paul setzte sich auf den Boden und ließ den Kopf zwischen die Knie sinken. Er war so erschöpft, dass er fast eingeschlafen wäre.
    Es dauerte eine Weile, ehe er begriff, dass jemand neben ihm stand. Als er aufblickte, sah er die Frau mit dem weißen Gesicht und dem glitzernden Gauklerkleid. Er langte in seine Tasche, fand aber nicht einmal eine minderwertige Kupfermünze, die er ihr hätte geben können.
    »Es tut mir leid –«, begann er, doch sie unterbrach ihn.
    »Paul Pindar?«
    Allmählich überraschte ihn fast gar nichts mehr. »Bitte?«
    »Seid Ihr der englische Kaufmann, der unter dem Namen Paul Pindar bekannt ist?«
    Sie war der Sprache nach keine Venezianerin. Eine Griechin vielleicht?
    »Ja«, erwiderte er, »zumindest glaube ich das … so hieß ich einmal … früher … vielleicht.«
    » Panagia mou!« , seufzte sie sehr sanft.
    Sie blickte hinaus auf die Lagune, wo sich Ambroses Gondel entfernte. Ein unheimliches Lächeln spielte um ihre Lippen.
    »Ist er fort?«, fragte sie.
    »Ja«, antwortete Paul einfach, denn mehr gab es nicht zu sagen.
    Und es stimmte, die geisterhafte Silhouette von Ambroses Gondel wurde gerade vom Dunst verschluckt. Paul fühlte sich seltsam unbeschwert, als sei ihm eine große Last von den Schultern genommen worden.
    »Dann kann ich Euch, glaube ich, dies hier gefahrlos zeigen.«
    Sie reichte ihm etwas Kleines, Glänzendes. Er nahm es ihr verständnislos aus der Hand. Es war eine Silbermünze – die Münze, die Ambrose ihr kurz zuvor aus der Hand geschlagen hatte.
    »Was ist das?«
    »Schaut genau hin.«
    Paul drehte die Münze zwischen den Fingern hin und her: Auf beiden Seiten war ein Kopf abgebildet. Schweigend gab er sie der Frau zurück.
    »Diese Münze hat er verwendet, um Euch den Diamanten abzunehmen. Euer Freund John Carew war überzeugt, dass er einen Betrug versuchen würde. Obwohl es Signora Constanza war, die die Sache mit der Münze herausgefunden hat. Ihr
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