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Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Er hört alles, sieht alles, riecht alles, weiß alles. Er weiß vor dir, wann du Hunger hast oder Durst oder wann du im Pool schwimmen willst. Er hat nicht den sechsten, er hat den siebten Sinn! Und den achten dazu! Nicht wahr?«
    »Monsieur sind sehr lustig …« sagte der Neger und grinste.
    »Wie heißen Sie?« fragte Petra und lächelte ihn an. Eine gute Madame, dachte der Neger, eine sehr gute.
    »Sagen Sie Babou zu mir, Madame.« Er grüßte wieder, Hand an der Mütze. »Sagen Sie: Babou, komm her, ich bin immer da.«
    »Babou?« Petras Interesse war geweckt. »Das ist doch ein afrikanischer Name, kein karibischer. Du bist doch ein Mulatte …«
    »O non!« Babou zog stolz das Kinn an. »Mulat'ka oublié qui neg'ess c'est maman-li«, sagte er. »Tout neg'riche c'est mulât, tout mulât pauv' c'est nèg … Je suis un nèg …«
    »Was sagt er da?« Sie drehte sich zu René herum. »Ich verstehe kein Wort.«
    »Das ist Kreolisch. Französisches Kreolisch. Es heißt: ›Der Mulatte hat vergessen, daß seine Mutter eine Negerin war. Ein reicher Neger ist ein Mulatte, ein armer Mulatte ist ein Neger. Ich bin ein Neger.‹«
    »Das klingt nicht sehr nach Paradies …«
    »Es ist so etwas wie ein Sprichwort der Schwarzen geworden. Babou ist zufrieden. Auf seine Treue kannst du jede Zukunft bauen.« Er klopfte Babou gegen die breite Brust und nickte: »Fahren wir los, du armer Mulatte!«
    »Und der herrliche Blumenstrauß, René?!«
    »Er war zu deinem Empfang, er hat seinen Dienst getan. Zu Hause erstickst du in Blumen.«
    »Aber du hast ihn doch bezahlt!« sagte sie. Ihr ganzes Leben hatte sie gelernt, praktisch und wirtschaftlich zu denken. Was man gekauft hat, gehört einem. Man wirft nichts weg, was noch gut ist. Jede Mark ist hart verdient. Was man erwirbt, muß man auch achten.
    »Die Kleine wird den Strauß zurücktragen und den Touristen nochmals verkaufen, aufgeteilt in einzelne Sträuße. So kommt sie auf den vierfachen Verdienst. Die Kleine freut sich, als sei Weihnachten.« Er wartete, bis Petra in den Citroën gestiegen war, sagte dann leise zu Babou: »Fahr nicht wie ein wilder Affe! Madame kennt unsere Fahrweise noch nicht!« und ließ sich neben ihr in die weichen Polster fallen. Babou setzte sich mit würdevoller Haltung hinter das Steuer, startete und fuhr – für seine Begriffe schlich er schneckengleich – ziemlich forsch aus den Hafenanlagen hinaus.
    René und Petra saßen Hand in Hand im Fond und küßten sich.
    Babou sah es im Rückspiegel, spitzte die Lippen und schmatzte leise. Das Motorengeräusch übertönte diesen unbotmäßigen Scherz.
    Bis zu diesem Augenblick hatte Jules Tsologou Totagan gewartet. Erst jetzt ging er die Gangway hinunter, in der Linken sein Köfferchen, in der Rechten seinen Voodoo-Stab, blieb auf der Pier stehen und war froh, wieder auf seiner Insel zu sein. Seine Niederlage auf dem Schiff hatte er verschmerzt. Jetzt wurde es anders, jetzt lebte sie im Griff der Götter, jetzt konnte man die Dämonen rufen und ihnen opfern und die Fetische von ihnen durchdringen lassen. Jetzt gab es kein Entkommen mehr.
    Jules stellte seinen Koffer ab, wischte sich über das schwitzende Gesicht und hob die dichten weißen Augenbrauen, als die schöne Blumenverkäuferin auf ihn zukam. Den Riesenstrauß hatte sie am Quai abgestellt.
    »Du kommst von einer Reise?« fragte sie. »Wo warst du? Komm, erzähl. Ich bin neugierig.«
    Jules räusperte sich. Er hatte nicht gewußt, daß sie hier am Hafen Blumen verkaufte. Alice Anamera war ein liebes, ein hübsches, ein braves Mädchen, das ehrlich ihr Geld verdiente und nicht, wie so viele Kreolinnen, ihren Körper an die Weißen verkaufte, an Seeleute und Touristen, die ein gutes und schnelles Geschäft waren. Nur einen Fehler hatte Alice, allerdings nur für Jules: Sie war die Enkelin von Mamissi Wata Danielle Paquier, der fetten Widersacherin im Voodoo, ein Abkömmling der Schlangenpriesterin, die es gewagt hatte, zu Jules zu sagen: »Man sollte für dich einen Fetisch machen und ihm dann den Schwanz abschneiden! Ha, was wärst du dann noch?!« Und wenn er damals von Danielle erhört worden wäre – vor fast vierzig Jahren – könnte Alice jetzt auch seine Enkelin sein. Aber sie war es nun mal nicht, sie gehörte zur Familie der dicken Mamissi. Wie sagten die Kinder auf kreolisch, wenn sie Danielle sahen: »An maman la baleine!« – Da kommt Mama Walfisch. Als Jules das zum erstenmal hörte, hatte er vor Wonne getanzt.
    Da er wußte,
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