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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen
Autoren: Ines Thorn
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was war auf dem Bild?»
    «Eine Heilige eben.»
    Matteo ließ nicht locker. «Du meinst, sie ist es?»
    «Das weiß ich nicht, Herr. Das kann ich nicht wissen. Fragt Euer Herz.»
    Matteo war still. Nach einer Weile hielt Dietrich es nicht länger aus: «Und hat Euer Herz zu Euch gesprochen?»
    Und Matteo nickte, stand auf, sah Dietrich in die Augen. «Ich soll sie holen, nicht wahr?»
    «Sie ist Euer Weib.»
    «Ist dann die Stille weg, diese furchtbare Stille, diese Leere überall?»
    «Wenn sie Euch verzeihen kann, dann gewiss.»
    «Ich habe schwere Schuld auf mich geladen, nicht wahr, Dietrich?»
    «Das habt Ihr, Meister. Man darf sein Weib nicht verstoßen. Sie hat Euch nie belogen, nie betrogen. Sie ist anders als die anderen, aber nicht schlechter. O nein, das ist sie wahrhaftig nicht.»
    Matteo griff nach seinem Umhang, aber Dietrich schüttelte den Kopf.
    «Wartet bis morgen. Mietet Euch ein Pferd, dann kommt Ihr schneller voran. Nehmt Proviant mit und ein paar Kleider für die Meisterin. Es reicht nicht, sie einfach nur abzuholen. Ihr müsst sie heimführen, als wäre sie eine königliche Braut.»
    «Du hast recht, Dietrich», erklärte Matteo. «Sie ist eine Königin. Meine Königin.»

Neununddreißigstes Kapitel
    Das Haus der Beginen befand sich unweit der Lahn. Rosamund konnte vom Fenster ihrer Kammer aus den Turm der Elisabethenkirche, in der die heilige Elisabeth von Thüringen ihre letzte Ruhe gefunden hatte, sehen.
    Sie fühlte sich ausgeruht und sauber. Die Beginen, fromme Frauen, die sich dazu entschlossen hatten, außerhalb eines Klosters christliche Dienste zu tun, hatten ihr eine Kammer gegeben, ein Nachtkleid und einen Becher gewürzten, heißen Wein, als sie am Morgen abgerissen und erschöpft um Einlass gebeten hatte. Jetzt hatte Rosamund zehn Stunden am Stück geschlafen, trug ein sauberes Kleid und hatte eine kühlende Salbe auf ihre schmerzenden Füße aufgetragen.
    Die Glocken läuteten zur Vesper. Rosamund fuhr sich mit der Bürste über das Haar, nahm ein Heiligenbild aus ihrem Bündel, welches sie an den Ufern der Lahn gemalt hatte, und begab sich in die Kirche.
    Der Gottesdienst war anders, als Rosamund ihn kannte. Es gab keinen Weihrauch, kein ständiges Auf und Niederknien zum Gebet. Der Pfarrer, ein junger Mann mit leidenschaftlichen Augen und ausladenden Armbewegungen,predigte von der Kanzel, und Rosamund schien es, als spräche er direkt zu ihr.
    Sie sah sich um, blickte in begeisterte Gesichter. Frauen jeden Alters, aus allen Schichten kamen zu Elisabeth von Thüringen. Ganz vorne, in der ersten Reihe, saß sogar eine adelige Frau, deren Antlitz von einem schwarzen Spitzenschleier bedeckt war. Ihre Hände steckten in perlenbestickten Handschuhen, der Umhang war mit einem silbernen Fuchspelz gesäumt. Ganz gerade saß die Frau, hielt den Blick unverwandt zur Kanzel gerichtet.
    Orgeltöne brausten durch das Schiff, fanden in der Apsis ihr Echo, verklangen erst nach einer Weile im Ohr.
    Wie berauscht saß Rosamund auf ihrer Bank, fühlte sich angekommen. Ja, hierher hatte sie gewollt. Hierher in diese Kirche, hierher zur heiligen Elisabeth von Thüringen, die allen Schmerz, den ein Mensch erleiden konnte, am eigenen Leib durchlitten hatte.
    Als der Gottesdienst zu Ende war, blieb Rosamund noch eine Weile sitzen, wartete, bis auch die letzten Besucher die Kirche verlassen hatten.
    Nur die vornehme Frau saß noch ganz vorn in ihrer Bank und rührte sich nicht.
    Langsam schritt Rosamund durch den Gang, das Bild der heiligen Elisabeth fest in den Fingern haltend.
    Vor einem Seitenaltar mit einer geschnitzten Statue der Thüringerin und Königstochter von Ungarn kniete Rosamund nieder. Sie lehnte das Bild an die Füße der Statue, sah in das hölzerne Gesicht, das ihr sehr lebendig vorkam.
    Rosamund suchte nicht nach Worten, um mit Elisabeth reden zu können. Nein, sie schaute nur auf das Ebenbild, öffnete dabei ihre ganze Seele. Und es war, als streckte die Heilige beide Hände nach Rosamund aus, damit sie ihr Leid, ihren Kummer und ihre Sorgen in die Obhut der Heiligen gäbe. Dazu brauchte es keine Worte, dafür reichten Blicke, Gedanken und Gefühle.
    Rosamund wusste nicht, wie viel Zeit sie im stummen Gespräch mit Elisabeth von Thüringen verbracht hatte, doch als sie die Kirche verließ, saß die unbekannte vornehme Frau noch immer an ihrem Platz. Rosamund nickte ihr einen Gruß zu, und für einen winzigen Augenblick hob sich der Schleier, und Rosamund sah in ein blasses Gesicht
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