Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht Von Atlantis

Das Licht Von Atlantis

Titel: Das Licht Von Atlantis
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
Herbst überging, verloren sogar die Kinder die Hoffnung, Domaris werde sich wieder erholen. Tag für Tag lag sie in ihrem Zimmer, sah durch das Fenster die Sonne auf den weißen Wellen glitzern und träumte. Manchmal, wenn eins der bannergeschmückten Segelschiffe über den Horizont entschwand, fragte sie sich, ob Rajasta ihre Botschaft erhalten habe... aber nicht einmal das war ihr mehr wichtig. Wochen, Monate gingen dahin, und mit jedem Tag wurde sie blasser, kraftloser, erschöpfter von den Schmerzen, die einen Punkt erreicht hatten, an dem auch Schmerzen sich nicht mehr steigern können. Schon das Atemholen war eine Anstrengung für sie.
    Als das Jahr zu Ende ging, wurde Deoris, die in den langen Tagen und Nächten der Krankenpflege schwach und blass geworden war, streng befohlen, sich mehr zu schonen. Die meiste Zeit erkannte Domaris sie gar nicht, und es gab wenig, was man noch für sie tun konnte. Zögernd überließ Deoris ihre Schwester den anderen Heiler-Priesterinnen und machte eines Vormittags mit ihren Kindern einen Spaziergang am Strand. Dort schloss sich Micail ihnen an, der seit der Erkrankung seiner Mutter Tiriki wenig gesehen hatte. Später sollte Micail sich an diesen Tag als den letzten erinnern, den er als Kind unter Kindern verbracht hatte.
    Tiriki flog mit ihrem hellen, offenen Haar hierhin und dahin und zog ihren kleinen Bruder mit sich. Micail rannte ihnen nach, und alle drei begannen mit Schreien und Spritzen und Schubsen zu toben und sprangen in der Brandung umher... Sogar Deoris zog ihre Sandalen aus und planschte fröhlich mit ihnen im Wasser. Als sie dessen müde waren, baute Tiriki für ihren kleinen Bruder eine Sandburg, während Micail Muscheln an der Hochwassermarke suchte und sie Tiriki in den Schoß warf. Deoris fand es nicht ganz richtig, dass ein Junge von sechzehn und ein Mädchen von dreizehn schon so reif, so ernst, so erwachsen sein sollten - obwohl sie sich im Augenblick wie Kinder aufführten, die erst halb so alt waren!
    Schließlich beruhigten sie sich, legten sich zu Deoris' Füßen in den Sand und forderten sie auf, ihre Sandbauten zu bewundern.
    »Sieh mal«, sagte Micail, »ein Palast und ein Tempel!«
    »Siehst du meine Pyramide?« fragte der kleine Nari mit schriller Stimme.
    Tiriki zeigte mit dem Finger. »Von hier aus sieht der Palast aus wie ein Schmuckstück auf einem grünen Hügel... Reio-ta hat mir einmal erzählt -« Plötzlich setzte sie sich auf und verlangte zu wissen: »Deoris, habe ich jemals einen richtigen Vater gehabt? Ich liebe Reio-ta, als sei er mein Vater, aber - du und kiha Domaris seid Schwestern, und Reio-ta ist der Bruder von Micails Vater -« Von neuem brach sie ab und sah unruhig zu Micail hinüber.
    Er begriff sofort, was sie meinte, und er streckte die Hand aus, um sie ins Ohr zu zwicken - aber er änderte seine Absicht und zupfte nur spielerisch daran.
    Deoris sah ihre Tochter ernst an. »Natürlich, Tiriki. Dein Vater ist gestorben - bevor er dich anerkennen konnte.«
    »Wie war er?« fragte das Mädchen nachdenklich.
    Bevor Deoris antworten konnte, erklärte der kleine Nari mit der niederschmetternden Logik eines Kindes: »Wenn er vorher gestorben ist, kann er doch nicht ihr Vater sein!« Er piekte seiner Halbschwester mit dem Finger in die Rippen. »Gräbst du mir ein Loch, Tiriki?«
    »Dummes Baby«, schalt Micail ihn.
    Nari zog eine Schnute. »Ich bin kein Baby! Mein Vater war Priester!«
    »Micails und Tirikis Väter auch«, erklärte Deoris freundlich. »Wir sind hier alle Kinder von Priestern.«
    Nari warf sich mit neuer Kraft auf das von ihm entdeckte Paradoxon. »Wenn Tirikis Vater vor ihrer Geburt gestorben ist, dann hat sie keinen Vater!«
    Micail grinste über Naris Unschuld. Auch Tiriki kicherte, wurde jedoch schnell wieder ernst, als sie den Ausdruck auf Deoris' Gesicht bemerkte.
    »Möchtest du nicht von ihm sprechen?«
    Von neuem tat Deoris das Herz weh. Riveda war in ihre Seele so unauslöschlich eingebrannt wie die dorje -Narben auf ihrer Brust, aber sie hatte gelernt, ruhig und beherrscht zu sein. Als sie zu sprechen begann, war ihre Stimme fest. »Er war ein Adept der Magier, Tiriki.«
    »Ein Priester wie Micails Vater, sagst du?«
    »Nein, Kind, nicht wie Micails Vater. Ich sagte, er sei Priester gewesen, weil - nun, die Adepten sind auch eine Art von Priestern. Dein Vater gehörte jedoch zur Graumantel-Sekte, die im Alten Land nicht in so hohen Ehren steht wie hier. Und er war ein Nordmann aus Zaiadan; du hast das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher