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Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)

Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)

Titel: Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)
Autoren: Linus Reichlin
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lesen können, die Nase ab. Von den Steinigungen mal ganz zu schweigen. Barozai hat wahrscheinlich mehr afghanische Frauen umgebracht als amerikanische Soldaten. Das Mädchen muss das doch gewusst haben. Warum flieht sie ausgerechnet zu ihm?
    Lass es mich rausfinden, sagte Martens.
    Ich frage mich nur, ob du deiner Informantin trauen kannst, sagte Busch. Du sagst, du hast sie auf dem Bürgeramt kennengelernt, und sie ist arbeitslos und braucht Geld. Sie lebt mit ihrem Kind in einer kleinen Wohnung hier in Berlin. Und ganz nebenbei hat sie Kontakt zu einer Bacha Posh, die mit einem der meistgesuchten Talibankommandanten rumzieht. Kommt dir das nicht auch seltsam vor?
    Doch, sagte Martens.
    Aber trotzdem traust du ihr, sagte Busch.
    Ja.
    Ist sie hübsch, hast du dich in sie verliebt?
    Sie ist hübsch, und ich bin nicht verliebt.
    Busch sagte, du gehst da ein ziemliches Risiko ein. Und ich auch, wenn ich Ja sage. Das ist dir doch klar? Zehntausend Dollar für das Interview, dein Honorar, die Spesen, das ist nicht gerade nichts.
    Plus zweitausend für die Fotos, sagte Martens.
    Fotos von einer Fotografin, sagte Busch, die ich nicht kenne. Wie heißt sie noch mal?
    Miriam Khalili.
    Nie gehört, sagte Busch. Hast du Fotos von ihr gesehen? Hat sie dir etwas gezeigt?
    Nein.
    Ich soll also die Katze im Sack kaufen, sagte Busch.
    Das machst du doch oft, sagte Martens.
    Früher hättest du eine solche Geschichte zuerst anrecherchiert, sagte Busch. Du hättest sie mir nicht angeboten, ohne mehr darüber zu wissen als ich.
    Früher!, sagte Martens. Früher hatten wir alle einen Schnuller im Mund.
    Du brauchst Geld, sagte Busch, und das ist es, was mir an der Sache nicht gefällt. Irgendeine Frau, die du heute erst kennengelernt hast, erzählt dir, dass sie dir ein Interview mit einem afghanischen Mädchen vermitteln kann, das mit Dilawar Barozai herumzieht, mit einem Talibankommandanten, der schon längst tot wäre, wenn die CIA wüsste, wo er sich aufhält. Und ein paar Stunden später bietest du mir diese Geschichte an, ohne zu wissen, woher diese Frau die Information hat und ob es diese Bacha Posh überhaupt gibt. Das ist nicht seriös, und das weißt du.
    Schickst du mich hin oder nicht?, fragte Martens. Ja oder nein?
    Ja, sagte Busch. Um der alten Zeiten willen.
    Es ist eine Topgeschichte, sagte Martens lauter als er es wollte, also tu nicht so, als würdest du sie nur aus Barmherzigkeit kaufen.
    Du weißt, ich schätze dich und deine Feder sehr, sagte Busch.
    Mir geht es gut!, sagte Martens.
    Nina
    Am Abend vor der Abreise nach Afghanistan kochte Martens bei Nina. Sie hatte eine lange Geschäftsreise hinter sich, Düsseldorf, Paris, Hamburg, ihr Gesicht zeigte noch die Anstrengungen der Reise, sie entspannte sich nur langsam. Manchmal, wenn Martens etwas sagte, erkannte er an ihrem weggleitenden Blick, dass sie sich an irgendeine Begebenheit erinnerte, an eine strapaziöse Besprechung oder eine schwierige Pressekonferenz. Sie trug eine Jeans und eine weiße Bluse, und sie war barfuß nach neun Stunden auf Bleistiftabsätzen. Martens verkochte einen halben Liter Weißwein und ebenso viel Noilly Prat zu einer sirupdicken Essenz, der Basis für seine Sauce zu den Wildlachsfilets. Nina erzählte von Paris, sie sagte, sie habe nur den Flughafen und den Konferenzraum der französischen Niederlassung des Nahrungsmittelkonzerns gesehen, aber immerhin habe sie von ihrem Hotelzimmer aus die Kuppel der Sacré Cœur sehen können. Die Keime, die den Konzern in der deutschen Presse gerade in Verruf brachten, waren auch in den in Frankreich verkauften Produkten entdeckt worden, und obwohl die französische Niederlassung einen Pressesprecher beschäftigte, hatte die Konzernleitung doch sie nach Paris geschickt.
    Die scheinen viel von dir zu halten, sagte Martens.
    Sie wollten einfach nur eine Frau, sagte Nina, vielleicht hofften sie, dass ich mit einem Moderator von Telefrance 1 ins Bett gehe, damit er hinterher in die Kamera stammelt: Die Keimbelastung in Ihrem Joghurt, liebe Zuschauer und Zuschauerinnen, ist viel geringer als ich dachte, bevor ich Mademoiselle Nina kennenlernte.
    Und wie hoch ist die Keimbelastung wirklich?
    Ach Moritz, sagte sie. Wir haben völlig unterschiedliche Jobs. Du bist Journalist, du lebst von der Übertreibung. Ich von der Untertreibung.
    Dann bist du in beidem gut, sagte Martens, du warst schließlich auch Journalistin.
    Lange vorbei, sagte Nina. Sie legte die nackten Füße auf den Stuhl und schloss die
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