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Das letzte Zeichen (German Edition)

Das letzte Zeichen (German Edition)

Titel: Das letzte Zeichen (German Edition)
Autoren: Gemma Malley
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die Frage stand, ob er eingreifen solle, aber sie schüttelte den Kopf und wich zurück. Lucas tat es ihr gleich, wobei sein Blick unwillkürlich zu Evie wanderte. Ihre weiße Haut leuchtete geradezu im Mondlicht, und sie hatte ihre klugen Augen auf Linus geheftet, ohne das geringste Anzeichen von Furcht. Neben ihr stand Raffy, bei dem sich die Gefühle wie immer so offen im Gesicht spiegelten, dass man sie beinahe mit Händen greifen konnte. Sein Körper war gespannt und sprungbereit; die Haare kräuselten sich um sein Gesicht, genauso ungebärdig wie er selbst.
    »So, Bruder. Gehst also immer noch mit deinen Lügen hausieren, was? Richtest immer noch das Leben der Menschen zugrunde?«
    Der Bruder sah ihn mit steinerner Miene an. »Du weißt und ich weiß, Linus, dass in schwierigen Zeiten schwierige Entscheidungen nötig sind. Mut zu den eigenen Überzeugungen. Ein Plan. Du hast das nie verstanden. Du warst zu idealistisch. Aber Idealismus hat keinen Platz in der wirklichen Welt.«
    »Die wirkliche Welt«, sagte Linus nachdenklich, wich zurück, machte ein paar Schritte nach links und ging dann wieder zurück. »Und das hier ist die wirkliche Welt?«
    »Ja«, antwortete der Bruder. »Wir haben eine Gemeinschaft. Haben Mäuler zu stopfen, Kinder großzuziehen, Güter zu liefern und eine Stadt zu beschützen. Meine Leute sind da drin. Lass mich zu ihnen gehen.«
    »Deine Leute?« Linus blickte ihn ungläubig an. »Glaubst du wirklich, wenn du alle belügst und ihnen erzählst, das System könne ihnen in die Seele schauen und ihnen den richtigen Rang zuweisen, dann wäre das der richtige Weg, um das alles zu erreichen?« Drohend ging er noch näher zum Bruder hin, aber dieser zuckte nicht zurück.
    »Das System funktioniert«, sagte er. »Mein System. Nicht deins.«
    »Funktioniert so, dass sich die meisten erbärmlich fühlen und sich selbst hassen? Dass die Leute glauben, die Narbe an ihrer Schläfe zeugt davon, dass ihnen der böse Teil des Gehirns entfernt wurde, wo man ihnen in Wirklichkeit nur einen Chip eingepflanzt hat, mit dem sich feststellen lässt, wo sie sind und was sie gerade tun? Sehr interessant.« Linus lächelte wieder, doch dieses Mal bildeten sich kaum Falten, und seine Augen waren kalt. »Du bist ein Betrüger und ein Lügner. Du hast meine Träume genommen und einen Albtraum daraus gemacht. Aber jetzt ist es vorbei, Bruder. Dein System ist ausgeschaltet und jetzt schalte ich dich aus.«
    Er griff in seine Manteltasche, erstarrte, probierte die andere Tasche, seine Hosentaschen und tastete sich panisch ab.
    »Was verloren?«, fragte der Bruder, und ein ganz leichtes Lächeln stahl sich nun auch in sein Gesicht. »Oh je. Du warst noch nie gut in praktischen Dingen, Linus. Und jetzt dreh dich um. Dann siehst du, dass meine Polizeigarde angerückt ist.«
    Alle fuhren herum. Ein Mann kam mit zehn Polizeigardisten anmarschiert, alle mit Schlagstöcken bewaffnet. Lucas’ Magen krampfte sich zusammen vor Angst und vor Wut.
    »Linus!«, rief er. »Linus, was hast du getan? Wir hätten längst gehen sollen. Wir hätten …«
    »Meine Pistole«, sagte Linus, der Lucas offenbar nicht hörte. »Wo ist meine Pistole? Wo ist …«
    Ein Polizeigardist sprang vor und packte ihn, ein anderer hielt Raffy und Martha fest.
    »Lasst sie los!« Lucas’ Augen weiteten sich, als er sah, dass Evie vortrat, die Arme ausgestreckt, und dass in ihren Händen etwas schimmerte. Er konnte nicht atmen, nicht denken, nicht begreifen. Dann drehte sie sich um und er sah den Hass in ihren Augen und er zuckte zusammen. »Lasst sie los!«, bellte sie noch einmal, und die Polizeigardisten wichen augenblicklich zurück.
    Ein Schrei ertönte. Hinter den Polizeigardisten strömten die Menschen aus dem Versammlungshaus. Offenbar hatte sich herumgesprochen, dass der Bruder draußen war, dass da etwas im Gange war. Zögernd, vorsichtig kamen sie näher und schlossen einen Kreis um Linus, den Bruder, die Polizeigardisten, Lucas, Martha, Raffy und Evie, doch in einigen Metern Abstand, und drängten sich dicht zusammen. Sie schrien laut auf vor Angst, als sie Lucas, Raffy und Evie erkannten, und kreischten jedes Mal, wenn Evie sich umwandte und zu ihnen hinblickte. Doch Lucas sah die Menge kaum, bemerkte kaum, dass es jetzt keinen Ausweg mehr gab und kein Entrinnen. Das Einzige, was er sah, war Evie, die eine Waffe in den Händen hielt, mit ruhiger Miene und kaltem Blick. Genau wie sein eigener Blick, dachte er und erschrak.
    Zufrieden, dass
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