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Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)

Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)

Titel: Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)
Autoren: Gemma Malley
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war, Ihnen zu misstrauen.«
    Lucas nickte und versuchte, sich zu konzentrieren und alles andere zu verdrängen, zumindest für den Moment.
    »Sie dürfen nicht vergessen«, sagte er und berührte mit der rechten Hand wie zufällig sein linkes Handgelenk, »dass das System uns zu Sklaven gemacht hat. Die Urteile, die es gefällt hat, waren willkürlich und wurden vom Bruder kontrolliert, um den Menschen Angst zu machen, um sie zu entzweien, um seine Freunde zu belohnen und seine Feinde zu bestrafen. Das System war genauso korrupt wie der Bruder. Er ist verantwortlich für das, was passiert ist. Er hat die Bewohner der Stadt manipuliert, damit sie ihm glauben und nicht mir. Niemand sollte sich selbst dafür die Schuld geben. Wir müssen nach vorn schauen, nicht zurück. Ich will, dass wir wieder anfangen zu leben.«
    Doch er war sich nicht sicher, ob es ihm gelingen würde, bei diesen Worten keine Miene zu verziehen. Er hatte keine Ahnung vom Leben. Nicht mehr, seit Thomas Evie mitgenommen hatte, seit er beim Höhlenausgang nach links gegangen und einen Tunnel hinuntergesaust war, unfähig, sich umzudrehen oder auf Evies Rufe zu antworten. Er hatte versucht, wieder hochzuklettern, hatte gerufen, geschrien, sich die Hände aufgeschürft, hatte versucht, zu ihr und zu seinen Freunden zu gelangen, aber es war sinnlos gewesen. Er hatte mitansehen müssen, wie sie weggebracht wurde und wie der Hubschrauber mit ihr, Linus, Raffy und Benjamin davonflog, in eine Welt, die angeblich nicht mehr existierte, in eine Welt, die Lucas immer noch nicht begreifen konnte, auch wenn er es noch so sehr versuchte.
    Hatte Linus gewusst, dass er es als Einziger schaffen würde zu entkommen? Er hatte keine Ahnung, aber er hatte so seine Vermutungen. Vermutungen, die ihm nachts den Schlaf raubten, weil ihm alle möglichen Gedanken und Fragen durch den Kopf gingen. Hatte Linus ihm deshalb den USB-Stick mit Thomas’ Geständnis gegeben, in dem er ihnen alles offengelegt hatte: seine Beteiligung an dem Verschwinden der jungen Leute, an der Schreckenszeit, an dem Verrat des Bruders? Hatte Linus deshalb dafür gesorgt, dass Lucas direkt hinter ihm ging? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er innerlich ganz leer war und dass das so bleiben würde, bis er Evie wiedersehen würde.
    »Was wäre Ihrer Meinung nach die passende Strafe für den Bruder?«, fragte Amy mit zusammengekniffenen Augen. »Die Leute fordern seinen Kopf. Immerhin hat er die brutale Ermordung der Verschwundenen mitgetragen.«
    Lucas schloss für einen Moment die Augen. Dann öffnete er sie wieder, stand auf und ging zu dem großen breiten Fenster. Er hatte nach seiner Rückkehr über ein neues Büro, ein neues Gebäude, einen Neuanfang nachgedacht. Aber dann hatte er sich doch mit einem neuen Fenster begnügt. Einem großen Fenster, durch das er den Himmel sehen konnte.
    »Ich denke, wir werden eine angemessene Strafe finden«, sagte er leise. »Ich habe vor, eine Jury aus Männern und Frauen dieser Stadt einzuberufen, um zu entscheiden, ob er in der Stadt inhaftiert oder ob er verbannt werden soll. Die Menschen sollen entscheiden. Schließlich waren sie es, die er betrogen hat.«
    »Und was für Pläne haben Sie sonst noch für die Stadt auf Lager?«, fragte Amy weiter.
    Lucas dachte einen Moment lang nach und drehte sich dann zu ihr um. Sie hatte keine Ahnung, dass das alles nur Schein war, genauso wenig wie auch die anderen Menschen in diesem Land eine Ahnung hatten, dass sie betrogen und benutzt wurden und dass ihr Leben zerstört wurde. Und das alles wegen eines Computersystems.
    »Frieden«, sagte Lucas schließlich. Denn sie brauchten es nicht zu wissen. Jedenfalls noch nicht. Immerhin hatten sie schon genug gelitten. »Frieden und Wohlstand für die Bewohner der Stadt. Harte Arbeit. Stabile Verhältnisse. Humor. Spaß. Liebe. Die Menschen sollen sich an den kleinen und großen Dingen freuen, frei ihre Meinung sagen und miteinander und mit mir diskutieren können; sie sollen wieder Spaß haben am Leben. Die Mauer um uns herum soll niedriger werden. Ich möchte mit den anderen Gemeinden zusammenarbeiten. Und ich möchte, dass wir keine Angst mehr haben müssen.«
    Amy schrieb wie wild mit, sah dann Lucas an und neigte den Kopf zur Seite. »Und Sie? Glauben Sie, dass auch Sie Frieden finden werden? Nach allem, was passiert ist?«
    Lucas schaute sie an, aber dann wanderte sein Blick zu seinem Schreibtisch hinter ihr. Auf seinem Computerbildschirm leuchtete eine Nachricht
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