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Das letzte Treffen

Das letzte Treffen

Titel: Das letzte Treffen
Autoren: Stella Blomkvist
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abzumahnen.«
    »Typisch. Erst handeln,
     dann denken. Was bedeutet, dass hinter dieser Tat heiße Gefühle
     brodeln. Du musst damit rechnen, mitten in einem Vulkanausbruch zu landen.«
    Lisa Björk folgt mir in
     mein Büro.
    »Wie schön für
     dich, dass du isländische Kirchenkonflikte von innen kennenlernen
     kannst«, sage ich lächelnd. »Die sind oft hinterhältiger
     als politische Hinrichtungen.«
    »Das überrascht
     mich nicht«, antwortet sie trocken.
    Irgendetwas in ihrer Miene
     macht mich stutzig.
    »Hast du schlechte
     Erfahrungen mit christlichen Gemeinden gemacht?«, frage ich.
    »Das ist vorbei und
     abgehakt.«
    »Hört sich aber
     nicht so an.«
    »Darüber möchte
     ich nicht reden«, sagt sie entschieden und legt mir ein paar geöffnete
     Briefe auf meinen Schreibtisch. »Ich habe alle anderen Aufgaben des
     Tages erledigt.«
    »Prima. Tschüss
     bis morgen früh.«
    In den paar Monaten, die Lisa
     Björk bei mir gearbeitet hat, hat sie nie über ihr Privatleben
     gesprochen. Ihr ganzes Leben scheint sich nur darum zu drehen, Erfolg in
     ihrem Beruf zu haben. Was ich gut verstehe. Ich bin ja selbst so.
    Aber natürlich hat sie
     auch ein Leben außerhalb des Büros. Und eine Vergangenheit. Die
     ich nicht kenne. Und die mich nichts angeht.
    Ich esse alleine. Für
     zwei.
    Trotzdem ist es mir gelungen,
     meine Gewichtszunahme einigermaßen in Schach zu halten. Mit täglicher
     Gymnastik. Und Spaziergängen in der Nachbarschaft.
    Ich habe schon längst
     aufgehört, mich über die merkwürdigen Marotten meines
     Appetits zu wundern. Unerwartete Gelüste auf ausgefallenste
     Lebensmittel. Oder süße Dickmacher.
    Ich lasse es einfach
     geschehen.
    Nach dem Abendessen ruhe ich
     mich im Wohnzimmer aus. In meinem tiefen Sessel.
    Schaufele Rosinen in mich
     hinein. Leere das erste Paket von fünfen, die ich auf dem Heimweg
     gekauft habe. Dabei gucke ich mir die Nachrichten an, obwohl
     ich mit meinen Gedanken ganz woanders bin.
    Ein neuer Mord steht heute
     Abend an erster Stelle.
    Der Nachrichtenpapagei vom
     staatlichen Fernsehen steht breitbeinig einen Steinwurf von einem großen
     zementierten Fundament entfernt. Im Hintergrund kann man das Flughafengebäude
     des internationalen Leifur-Eirikson-Flughafens in Keflavik erkennen.
    Die Schwarzjacken haben ihre
     bunten Absperrbänder um das ganze Fundament herum angebracht.
    »Auf dem Fundament
     eines der Häuser, die hier in Rockville abgerissen wurden, nämlich
     genau hier, haben zwei Einwohner von Keflavik den Verstorbenen spätnachts
     gefunden«, berichtet der Sprecher aufgeregt. »Die Polizei in
     Reykjanesbaer hat bereits bestätigt, dass es sich bei der Leiche um
     einen Ausländer über sechzig handelt, verwehrt aber weitere Auskünfte,
     da die Angehörigen des Verstorbenen noch nicht erreicht werden
     konnten.«
    Rockville. Felsenstadt.
    Spannender Tatort.
    Der Nachrichtenpapagei bringt
     einen kurzen Abriss zur Geschichte von Rockville. Dort befand sich früher
     einer von vielen Radarposten der US Army auf Island. Von dort aus wurden
     die Manöver der sowjetischen Bomber in der Nähe von Grönland,
     Island und Großbritannien beobachtet und außerdem die Routen
     der Atom-U-Boote durch die Passagen zwischen der Norwegischen See und dem
     Nordatlantik. Aber diese Aufgabe war kurz vor der Jahrtausendwende
     beendet, einige Jahre, nachdem der russische Bär alle viere von sich
     gestreckt hatte. Seitdem sind alle Gebäude auf dem Gelände dem
     Erdboden gleichgemacht und der Schrott beseitigt worden.     
    »Einige hundert Leute
     wohnten damals in Rockville auf der Midnesheidi hinter einem
     undurchdringbaren Drahtzaun«, setzt der junge Presseheini fort.
     »Es gab um die hundert Baracken für die amerikanischen
     Soldaten, dazu Restaurants, Bars, eine Sporthalle, ein Kino, Geschäfte,
     eine Kapelle, ein Postamt und sogar ein kleines Kraftwerk. Alles, was man
     zum täglichen Leben brauchte.«
    Warum nur sollte man einen
     Touristen auf der Midnesheidi töten? An einem der ödesten Plätze,
     am Arsch der Welt, in Island?
    Der Nachrichtenpapagei hat
     keine Antworten parat.
    Natürlich nicht.
    Ich habe riesige Lust auf
     einen dreifachen Jackie Daniels. Das amerikanische Edelwässerchen,
     das im Weinschrank auf mich wartet.
    Die Flasche glitzert
     verlockend durch das eingefärbte Glas.
    Aber ich widerstehe ihren
     Lockrufen.
    Habe an Neujahr beschlossen,
     mich bis zum Frühjahr zusammenzureißen. Stark zu sein. Mit dem
    
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