Das letzte Revier
Sesseln, Flickenteppichen und Messinglampen. Der Boden ist aus Kiefernholz, und die mit Holz vertäfelten Wände sind weiß gestrichen. Daran hängen Aquarelle mit Szenen aus dem Bürgerkrieg. Neben dem Kamin im Wohnzimmer steht ein Regal voller Kanonen- und Miniekugeln, einem Essgeschirr, alten Flaschen und allen möglichen anderen Gegenständen, die wahrscheinlich aus dem Bürgerkrieg stammen. Als Mr. White mein Interesse daran bemerkt, erklärt er, dass er Sammler sei. Er ist ein Schatzsucher und geht, wenn er nicht im Büro ist - er arbeitet als Buchhalter -, die Gegend mit einem Metalldetektor ab. Die Farm wird nicht mehr bewirtschaftet und ist seit über hundert Jahren in Familienbesitz, erzählt er Lucy und mir.
»Ich bin einfach ein Geschichtsnarr«, fährt er fort. »Ich habe sogar ein paar Knöpfe aus der Zeit der Amerikanischen Revolution gefunden. Man weiß nie, worauf man hier stößt.« Wir sind in der Küche, und Mrs. White reicht Lucy ein Glas Wasser. »Und Benny?«, frage ich. »War er auch ein Schatzsucher?«
»Oh, das war er«, sagt seine Mutter. »Natürlich hat er immer gehofft, einen richtigen Schatz zu finden. Gold zum Beispiel.« Sie hat begonnen, seinen Tod zu akzeptieren, und spricht in der Vergangenheit von ihm.
»Sie wissen schon, die alte Geschichte, dass die Konföderierten viel Gold versteckten, das nie gefunden wurde. Benny meinte, er würde es finden«, sagt Mr. White und hält ein Glas Wasser, als wüsste er nicht recht, was er damit tun sollte. Er stellt es ab, ohne einen Schluck getrunken zu haben. »Er war gern draußen, wirklich. Oft habe ich gedacht, es ist ein Jammer, dass wir die Farm nicht mehr bewirtschaften, denn das hätte ih m bestimmt gefallen.«
»Vor allem Tiere«, fügt Mrs. White hinzu. »Das Kind liebte Tiere wie kein anderer. Er hatte so ein weiches Herz.« Sie hat Tränen in den Augen. »Wenn ein Vogel gegen ein Fenster flog, rannte er raus und suchte ihn, und dann war er untröstlich, wenn sich das arme Ding das Genick gebrochen hatte, was ja meistens passiert.« Bennys Stiefvater schaut aus dem Fenster, seine Miene gequält. Seine Mutter schweigt, kämpft um Fassung. »Benny hat etwas gegessen, bevor er starb«, sage ich. »Ich glaube, Dr. Fielding hat Sie schon gefragt, ob er möglicherweise in der Kirche etwas gegessen hat.«
Mr. White schüttelt den Kopf und starrt weiter aus dem Fenster. »Nein, Ma'am. In der Kirche gibt es nichts zu essen außer bei den Treffen am Mittwochabend. Wenn Benny etwas gegessen hat, dann weiß ich nicht, wo.«
»Hier jedenfalls nicht«, sagt Mrs. White nachdrücklich. »Ich habe am Sonntag Schmorfleisch gekocht, aber das hat er nicht angerührt. Es war eins seiner Lieblingsgerichte.«
»Er hatte Popcorn und Hotdogs im Magen«, sage ich. »Wie's aussieht, hat er das gegessen, kurz bevor er starb.« Ich will, dass Sie verstehen, wie merkwürdig dieser Umstand ist und dass er nach einer Erklärung verlangt. Beide blicken verblüfft drein, sind zugleich verwirrt und fasziniert. Sie sagen, dass sie nicht die leiseste Ahnung haben, wo Benny Junkfood, wie sie es nennen, bekommen haben könnte. Lucy fragt, was mit Nachbarn ist, ob Benny vielleicht bei jemandem vorbeigeschaut haben könnte, bevor er in den Wald ging. Wieder können sie sich nicht vorstellen, dass er so etwas getan haben könnte, nicht zur Essenszeit, und die Nachbarn sind überwiegend ältere Menschen und würden Benny nie eine Mahlzeit oder auch nur einen Snack anbieten, ohne vorher bei den Eltern nachzufragen. »Sie würden ihm nicht den Hunger verderben, ohne uns zu fragen.« Dessen ist sich Mrs. White sicher. »Dürfte ich sein Zimmer sehen?«, frage ich sie. »Manchmal bekomme ich ein besseres Gefühl fü r den Patienten, wenn ich weiß, wo er seine meiste Zeit verbracht hat.«
Die Whites scheinen unsicher. »Ich glaube, das ist schon in Ordnung«, entscheidet der Stiefvater.
Sie führen uns den Flur entlang in den rückwärtigen Teil des Hauses, und linkerhand kommen wir an einem Zimmer vorbei, das aussieht wie ein Mädchenzimmer, mit blassrosa Vorhängen und einer rosa Tagesdecke. An der Wand hängen Pferdeposter, und Mrs. White erklärt, dass es Loris Zimmer ist. Lori ist Bennys kleine Schwester, die zurzeit bei der Großmutter in Williamsburg ist. Sie wird erst nach der Beerdigung, die morgen stattfindet, wieder zur Schule gehen. Obwohl sie es nicht sagen, halten sie es offenbar für keine gute Idee, dass das Kind hier ist, wenn die Gerichtsmedizinerin
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