Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
One-Way-Ticket. Niemand kehrt zurück, um die Geschichte zu erzählen.»
    «Wer waren diese Leute überhaupt? Die gerade verschwunden sind, meine ich?»
    «Leute wie Sie, Gunther. Leute, die zu viele Fragen gestellt haben.»
    «Ist das alles, was Sie gegen mich vorbringen können?» Ich fing an zu grinsen und versuchte es zu halten. Als hätte ich immer noch ein Ass im Ärmel. Es fühlte sich nicht richtig an. Meine Lippen zitterten zu sehr, doch von jetzt an kam es nur noch auf mein Auftreten an und auf sonst nichts mehr. Wenn er zu dem Schluss kam,dass ich bluffte, war ich draußen. Er wusste es. Ich wusste es. Die beiden Schläger an der immer noch offenen Tür der Dakota wussten es. «Verdammt, Colonel, ich bin Detektiv. Es ist mein Job, zu viele Fragen zu stellen und meine Nase in Dinge zu stecken, wo es nicht erwünscht ist. Ausgerechnet Sie sollten das wissen! Alles geht mich etwas an, bis ich herausgefunden habe, was ich herausfinden soll. So funktioniert dieser Job nun einmal.»
    «Nichtsdestotrotz wurden Sie gewarnt, keine Fragen bezüglich Direktive elf zu stellen. Noch deutlicher konnte ich kaum werden. Ich dachte, dass Sie sich nach Ihrem Abstecher nach Caseros an meinen Ratschlag halten würden.» Er stieß einen Seufzer aus. «Ich habe mich geirrt, wie nicht anders zu erwarten, und jetzt sitzen Sie ziemlich in der Tinte. Zugegeben, ich bedaure es, Sie töten zu müssen, Gunther. Ich habe es ernst gemeint mit dem, was ich Ihnen bei unserer ersten Begegnung gesagt habe. Sie waren ein Held für mich.»
    «Na, dann bringen wir es hinter uns», sagte ich.
    «Sie haben etwas vergessen, nicht wahr?»
    «Ich bin nicht mehr so aufs Beten versessen dieser Tage, falls Sie das meinen. Und mein Gedächtnis lässt mich in der Höhe auch im Stich. Wie hoch sind wir überhaupt?»
    «Ungefähr fünfzehnhundert Meter.»
    «Das erklärt natürlich, warum es so verdammt zugig ist hier drin. Wenn diese beiden Messdiener vielleicht die Tür schließen könnten, damit ich mich ein wenig aufwärmen kann? Ich bin wie eine Eidechse, wissen Sie? Sie wären überrascht, wozu ich imstande bin, wenn Sie mich erst für eine Weile auf einem hübschen, warmen Felsen sitzen lassen.»
    Der Colonel machte eine herrische Kopfbewegung, und die beiden Schläger schlossen widerwillig die Tür wie zwei französische katholische Edelleute, denen das Vergnügen verwehrt wurde, einen großmäuligen Hugenotten aus dem Fenster zu stürzen. «So», sagte der Colonel. «Wie geht es Ihrem Gedächtnis jetzt?»
    «Besser von Minute zu Minute. Vielleicht fällt mir der Name von Evitas Tochter ein, sobald wir am Boden sind. Wenn sie überhaupt tatsächlich Evas Tochter ist. In meinen Augen, muss ich sagen, sehen sie und die Frau des Präsidenten sich nämlich überhaupt nicht ähnlich.»
    «Sie bluffen, Gunther.»
    «Vielleicht. Aber Sie können es sich nicht leisten, das Risiko einzugehen, habe ich recht? Wenn Sie es könnten, Colonel, wäre ich längst im Fluss und auf der Suche nach meinen alten Kameraden von der
Graf Spee

    «Und warum erzählen Sie es mir nicht?»
    «Sie machen Witze, oder? Sobald ich Ihnen alles verraten habe, gibt es nichts mehr, was Sie daran hindern könnte, mich durch die Tür nach draußen zu befördern.»
    «Vielleicht. Aber sehen Sie es auf diese Weise: Was hindert mich daran, Sie in einem oder zwei Tagen oder einer Woche wieder einzukassieren und zu töten, nachdem wir am Boden sind.»
    «Sie haben recht. So habe ich das noch nicht gesehen. Sie sollten sich irgendetwas überlegen, wie Sie mich beruhigen können, dass dieser Fall nicht eintritt, oder Sie erfahren überhaupt nichts, weder hier noch am Boden.»
    «Und was schlagen Sie vor?»
    «Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Zerbrechen Sie sich den Kopf darüber. Sie sind der Colonel. Vielleicht könnten wir zu einer Vereinbarung gelangen, wenn meine Hände frei wären und ich noch eine Zigarette bekommen könnte.»
    Der Colonel steckte die Hand in die Jackentasche und zog ein Klappmesser hervor, das so lang war wie ein Trommelstock. Er drehte mich um und säbelte an der Schnur, mit der meine Handgelenke gefesselt waren. Während ich meine Hände rieb und massierte, bis wenigstens wieder Schmerz zurückkehrte, steckte er das Messer ein und zog seine Zigaretten hervor. Er schüttelte eine aus der Packung, gab sie mir und warf mir ein Streichholzbriefchen zu. Hätte ich Gefühlin den Händen gehabt, hätte ich es vielleicht gefangen. So bückte sich einer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher