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Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Titel: Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)
Autoren: Frank Schmitter
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aus einem Guss.“
    „Oh.“ Sie war erleichtert, über irgendetwas sprechen zu können, das in einer neutralen Zone lag. „In unserer ersten Wohnung war einfach nur zusammengewürfelt, was jeder von uns als Student hatte. Ikea traf Baumarkt. Dann kam Svenja, und wir haben unsere Wünsche zurückgedreht. Bevor wir hier einzogen, hat mein Schwiegervater gemeint, dreimal umgezogen ist einmal abgebrannt und dreimal billig möbliert ist teurer als einmal gut. Und hat die Rechnungen an seine Adresse schicken lassen.“
    „Sitze ich zufällig auf Rolf Benz?“, fragte er.
    Sie nickte, dankbar für das Name-Dropping, und setzte die Wohnungsführung fort, über den Couchtisch, den ausziehbaren Mahagoniesstisch und die Designerlampen, bis er sie einfach mitten im Satz unterbrach. „Ich glaube, oben ist es trotzdem gemütlicher.“
    Sie ging voran und versuchte, sich zu erinnern, wann sie ihn attraktiv gefunden hatte. Aber es gab keine bestimmten Momente, es war vielleicht jene Langsamkeit und Ruhe in seinen Bewegungen, wenn er etwas tat, im Garten arbeitete oder mit den Kindern auf dem Spielplatz war. Das absolute Gegenteil ihrer Fahrigkeit – wenn Georg einen Gartenschlauch montierte, tat er das und genau das und nicht mehr. Er war der, der im Sommer am Grill stand und nicht den Überblick verlor. Er hatte einfache Ansichten; Wenn man, selten genug, über Theater oder Literatur sprach, hob er seine rechte Hand und machte eine wischende Bewegung, wie man jemandem beim Einparken signalisiert: Stopp. Er war in Gerding aufgewachsen, ein Bauernsohn, der auf dem Traktor seines Vaters auf die Felder fuhr, während andere im Schwimmbad lagen. Sein Oberkörper war immer noch vorzeigbar, sehr vorzeigbar, aber das konnte sie nur wirklich erregend finden, wenn sie bereits erregt war . Aber Daria konnte in ihrem Körper, während sie die Treppe hochstieg, keine Lust orten, nirgendwo.
    Vor ihrem Schlafzimmer, der ersten Tür rechts, blieb sie stehen. Die Tür war geschlossen, glücklicherweise. Er legte von hinten seine Hände an ihre Hüften, und während er sich an sie drängte – sie waren gleich groß – spürte sie, dass zumindest er erregt war. Daria fiel plötzlich die dicke Frau ein, die vorhin im Fernsehen gesungen hatte, und sie fürchtete, sich selbst einer absurden, unwürdigen Situation preiszugeben.
    Georg legte sein Kinn auf ihre Schulter, sie fühlte seinen dichten Bart an ihrer Halsgrube, und als er sie dort küsste, roch sie sein Mundwasser, den aseptischen, durchdringenden Geruch, der sie an Krankenhäuser erinnerte. Sie wusste in diesem Moment, dass sie ihn nicht küssen konnte. Aber nach ihrer Lippenstiftbotschaft gestern Abend glaubte sie, dass er weit eher berechtigt war, sie zu küssen, als sie, ihn brüsk und in toto zurückzuweisen. Sie stützte sich mit beiden Händen am Türrahmen ab – so konnte er sie wenigstens nicht ins Schlafzimmer drängen –, schloss ihm zuliebe die Augen und versuchte, die Bewegungen seines Beckens zu erwidern.
     
    Es klingelte. Drei aufsteigende Töne hintereinander, ein Dur-Dreiklang, wie in Zahnarztpraxen oder Boutiquen. Es hörte sich fürchterlich an, wie aus Plastik, aber sie hatte sich damit arrangiert, wie mit der Haustür. Frieder glaubte, sie hätte unbewusst Angst, mit einer Veränderung auch die Nachbarschaftsbeziehungen negativ zu verändern, als könne ein Fluch darauf liegen. Zu mystisch für sie, aber ein dunkles Gramm Wahrheit lag in seiner These.
    Daria ging die Treppe herunter, schaute in den Spiegel, aber ihre glatten, schulterlangen Haare und ihr Pony waren, natürlich, resistent gegen mögliche Spuren einer Berührung.
    „Ich habe Vanillinzucker vergessen. Für Laras Pfannkuchen.“
    Veronika Heidkamp stellte ihre Juteeinkaufstasche ab. Obenauf lagen ein paar Äpfel und zwei Zitronen. Die Tasche lehnte gegen den Innenpfosten der Tür, und obwohl Daria sie natürlich nicht zugemacht hätte, fühlte sie sich der Möglichkeit zur Distanz beraubt. In der Küche kramte sie in der entsprechenden Schublade, fand eine noch unangebrochene Zehnerpackung Vanillinzucker und riss die Plastikfolie auf, als sie ein metallisches Geräusch hinter sich hörte.
    „Hast du Zeit für einen Espresso?“, fragte Veronika, die ihren Schlüsselbund auf die Spüle gelegt hatte. Sie knöpfte die Strickjacke ihrer Trachtenkombination auf. In den letzten Jahren trug sie verstärkt Dirndl, was vermutlich weniger ein Bekenntnis zu ihrer Heimat – sie war in München geboren und
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