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Das Leben ist kurz - Vita brevis

Das Leben ist kurz - Vita brevis

Titel: Das Leben ist kurz - Vita brevis
Autoren: Jostein Gaarder
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dass er seine Kunden schützt. Auch ein Priester – oder natürlich eine Nonne – können in gewissen Notlagen unter finanziellen Engpässen leiden.
    Was die eigentliche Tradition angeht, so sehe ich noch eine andere Möglichkeit. Ob Augustinus nun Florias Brief erhalten hat oder nicht, so wurde vielleicht das alte Pergament im 7. Jahrhundert entdeckt, als die Araber Nordafrika eroberten. Möglicherweise haben sie es nach Spanien gebracht, wo es die nächsten Jahrhunderte überlebte, bis es abermals aufgefunden und von den spanischen Konquistadoren mit nach Südamerika genommen wurde.
    Aber existiert dieses alte Pergament noch?
    Wobei mich trotz allem eine andere Frage viel mehr beschäftigt: Wie hat Augustinus auf den Brief seiner ehemaligen Lebensgefährtin reagiert? Was hat er damit gemacht? Und was mit Floria?
    Wir werden wohl nie mit Sicherheit wissen, ob Augustinus Florias Brief erhalten hat. Allerdings wurde erst vor wenigen Jahren ein bisher unbekannter Brief des Augustinus entdeckt. (Peter Brown: The Body and Society, Columbia University Press, N.Y., 1988, S. 397)
    Was mich betrifft, so war es jedenfalls unvorstellbar naiv von mir, dass ich die Vatikanische Bibliothek nicht um eine Quittung gebeten habe!
    Oslo, 8. August 1996, Jostein Gaarder
    Die Übersetzung der Augustinus-Zitate stammt aus:
    Augustinus: Bekenntnisse . Zweisprachige Ausgabe. Aus dem Lateinischen von Joseph Bernhart, Insel Verlag, Frankfurt am Main, 1987

NACHWORT
    A urelius Augustinus, der später, sehr viel später zum heiligen Augustinus wurde, kam in Afrika zur Welt. Man schrieb das Jahr 354 n.Chr., und der Ort des Geschehens war die Kleinstadt Tagaste, die heute Souk-Ahras heißt und in Algerien liegt. Augustinus stammte aus einer Kleinbürgerfamilie: Der Vater Patricius, kein Christ, sondern Heide, stand in öffentlichen Diensten, besaß etwas Land und einen gemäßigten Ehrgeiz; die Mutter Monika war Christin, willensstark bis zur Starrsinnigkeit und vom rechten Gottesglauben mehr als überzeugt. Zeit ihres Lebens versuchte sie, andere Leute zu bekehren: zuerst den Ehemann, der wacker dagegenhielt, dann etliche Nachbarn und Freunde, die sich zumeist irritiert zeigten, und schließlich – als wahrhaft lohnendes Opfer – den Sohn, der von ihr, letztendlich, auf einen Weg gebracht wurde, von dem es keine entscheidenden Abweichungen mehr gab. Der Vater hatte für den Sohn einen Berufsweg vorgesehen, der in schwerer Zeit am lohnendsten erschien: Er sollte, als Jurist oder Lehrer, in der kaiserlichen Verwaltung unterkommen. Augustinus ging im benachbarten Madaura zur Schule, dort begann er auch mit dem Studium, das er dann in Karthago, der Hauptstadt des römischen Afrika, fortsetzte. Mit 19 las er den Hortensius, eine (später verloren gegangene) Programmschrift des Philosophen Cicero, der, inspiriert vom griechischen Geist, die Philosophie auf ehrwürdige Weise zu popularisieren verstand. Seine Aufforderung, Weisheit nicht nur zu suchen, sondern auch, wenn möglich, zu lieben, hat Augustinus ernst genommen. Er studierte Rhetorik, die in der Antike weit mehr bedeutete als die systematische Ausbildung feiner Rednertalente: Sie bot sich zugleich als Zusammenfassung des allgemein anerkannten Bildungsgutes an – als seine Umsetzung von innerer Kenntnis- und Anteilnahme in äußere Wirksamkeit, und dies nach Maßgabe eines festen Regelwerks. Augustinus las die lateinischen Klassiker, Vergil, Horaz, Cicero u. a.; mit dem Griechischen jedoch hatte er ein Leben lang Probleme. Er wurde städtischer Rhetoriklehrer in Karthago, womit er ein Auskommen hatte, das keine großen Sprünge erlaubte. In Karthago lernte er auch seine Freundin Floria kennen, jenes geheimnisvolle Geschöpf, das in späteren Philosophiegeschichten zur »Konkubine« schrumpfte, mit welcher der damals noch nicht so heilige Mann immerhin fünfzehn Jahre zusammenlebte und einen Sohn zeugte, der den schönen Namen Adeodatus (der von Gott Gegebene) erhielt. Augustinus scheint die Spielarten der Liebe gekannt zu haben; es wird berichtet, dass er zu jener Zeit durchaus kein Kind von Traurigkeit war. Dass er dennoch nicht zum Genussmenschen wurde, lag auch an der seiner Mutter geschuldeten christlichen Erziehung; sie glaubte die Sünden der Fleischeslust zu kennen und wusste damit die hartnäckigsten Schuldgefühle zu verbinden. Mit Floria ging Augustinus nach Rom, versuchte sich dort wieder als Rhetoriklehrer, wobei die Einkünfte noch etwas kümmerlicher wurden, denn die
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