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Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Titel: Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
Autoren: Christiane Paul
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Fleischessern dort, die Abwendung vom Entweder-oder. Die Fokussierung auf das bestmögliche Ergebnis im echten Leben, nicht die bestmögliche Moral im Off der Gesellschaft. Es geht ihm darum, dass möglichst viele Menschen möglichst wenig Fleisch essen. Das ermöglicht es vielen, mitzumachen, die aufgeben müssten, wenn radikales Vegetariertum von ihnen verlangt würde.
    Diese Haltung kann man ebenso übertragen auf andere Bereiche.
    Foer ist für mich ein neuer Prototyp des Intellektuellen und Künstlers, wie wir ihn brauchen. Es ist wichtig, dass intellektuelle Debatten sich des Themas auch kontrovers und radikal zweifelnd annehmen und damit zurück ins Zentrum der Gesellschaft gelangen. Dabei ist es besonders von Bedeutung, dass Intellektuelle auch Lösungen einbringen, und das nicht nur an ihrem Schreibtisch. Sondern dass sie das Neue auch selbst leben, so wie Foer. Er hat sich inzwischen wieder seiner literarischen Themen angenommen. Das bedeutet aber nicht, dass Tiere essen oder Tiere nicht essen damit für ihn abgehakt ist. Sein Vegetariertum und seine Klimakultur sind selbstverständlicher Bestandteil seines Lebens geworden. Er muss nicht mehr ständig darüber reden.
    Anders Levermann ist aus meiner Sicht ein neuer Typ Wissenschaftler, dem es nicht nur um den Fortschritt der Wissenschaft allein geht. Er weiß, dass das nicht mehr genügt, dass er sich darauf nicht zurückziehen darf. Er weiß, dass er sein Thema dringend in die Öffentlichkeit und an bestimmte Orte dieser Öffentlichkeit tragen muss. Levermann meint, dass wir aus verschiedenen Gründen »praktisch alles unterschätzen«. Weil wir nicht hören wollen, soll die Wissenschaft nur über gesicherte Er kenntnisse reden. Das hat zwar gute Tradition, aber in unserer Realität ist es ungenügend, weil es das, was wir möglicherweise durch unser Handeln heraufbeschwören, nicht angemessen erfassen kann.
    Levermanns Konzept des Raumeinnehmens ist für mich deshalb von Bedeutung, weil es uns an einer entscheidenden Stelle weiterbringt. Es klärt den Unterschied zwischen dem privaten Engagement und dem öffentlichen Engagement. Natürlich ist es wichtig und richtig, einen möglichst geringen ökologischen Rucksack zu haben, also möglichst nicht zu fliegen. Aber das heißt nicht, dass es besser ist, wenn sich alle ins Private zurückziehen. Wenn jemand sich entschieden hat, an den großen Schrauben der ökologischen Transformation zu drehen, dann muss er auch fliegen, um dort zu sein, wo es gilt, möglichst viele Menschen auf dem Globus zu erreichen. Ich gehe fest davon aus, dass sein Know-how und sein Engagement den Flug mehr als wert sind. Raum einzunehmen heißt für Levermann auch, eine Führungsposition zu übernehmen – um über das Private hinaus wirken zu können. Raum einnehmen heißt reden, statt nur zuzuhören, anleiten, statt nur mitzumachen, machen, statt abzuwarten.
    Ich schätze es sehr, wenn Leute sich nicht unnötig aufspielen, sich nicht in den Vordergrund drängen, nicht zu allem das letzte Wort haben müssen, rücksichtsvoll, zurückhaltend sind und die Bedürfnisse der anderen im Auge haben. Aber jetzt und in dieser entscheidenden Frage brauchen wir kompetente Menschen, die nicht aus falsch verstandener Bescheidenheit oder Rücksicht in der letzten Reihe sitzen, sich die Sache anschauen oder gar mit den Köpfen schütteln, aber alles weiterlaufen lassen, wie es ist. Wir brauchen kompetente Menschen, die sich nach vorn stellen und ihre Kompetenz und Kraft einbringen.
    Dies hat mich auch an Boris Palmer beeindruckt. Er ist für meine Begriffe ein neuer Typus Politiker. Einer, der sich als Jugendlicher entschied, Politiker zu werden, um die politischen Grundlagen für eine ökologische Transformation zu schaffen und diese dann voranzubringen. Und der nun an einer entscheidenden Schnittstelle agiert und als eine Art Vorstandsvorsitzender einer Kommune das Private und das Öffentliche und die Wirtschaft zusammenbringt, vom Autohaus bis zum Windpark in der Nordsee. Er ist am richtigen Ort. Da, wo auch ein Einzelner einen großen Unterschied bewirken kann. Wenn es ihm gelingt, andere, also Wirtschaft und Gesellschaft, mitzuneh men. Palmer ist dabei extrem pragmatisch. Er hat gelernt, dass die Gesellschaft eine radikale Konsumverzicht-Debatte nicht führen will, und sucht nach den Schrauben, die er vorerst drehen kann, ohne das Askese- und Verzichtgefühl auszulösen. Und damit hat er schon vieles bewegt; etwa den Umbau seiner Stadtwerke.
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