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Das Lachen und der Tod (German Edition)

Das Lachen und der Tod (German Edition)

Titel: Das Lachen und der Tod (German Edition)
Autoren: Pieter Webeling
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erbarmungslos in die falsche Richtung schickte.
    »Wir haben eine Abmachung«, sagte ich tonlos.
    Der Kommandant klatschte in die Hände. »Ich wusste, dass Sie vernünftig sein würden! Was ja nur logisch ist: Ich habe Ihnen das Leben gerettet. Dreimal. Und im Gerichtssaal retten Sie meines. Sie machen Ihrer deutschen Herkunft alle Ehre.«
    »Sagen Sie das lieber nicht.«
    Er zog seine Handschuhe wieder an. »Gut, Herr Hoffmann. Eines Tages werden wir uns wiedersehen.« Er streckte die Hand aus. Ich zögerte und griff dann doch nach der weißen Baumwolle.
    »Sie sorgen dafür, dass ich das Lager überlebe.«
    »Natürlich. Sie bleiben hier, auf Ihrem Zimmer. Alles wird gut.«
    »Ich möchte, dass Sie noch jemanden retten. Einen guten Freund von mir. Er heißt Schlomo und …«
    »Tss, Herr Hoffmann. Lassen Sie das! Denken Sie lieber an Helena und sich selbst. Ich kann so einer Bitte nicht nachkommen, und das wissen Sie ganz genau. Ich wünsche Ihnen viel Glück.«
    Lautlos zog er die Tür hinter sich zu. Ich schloss die Augen. Eine wichtige Frage hätte ich ihm stellen sollen: Wäre er bereit gewesen, das bei der Ehre seines Vaters zu schwören?
    40
    Der Winter wurde milder. Tagsüber taute es sogar. Die Eisblumen am Kellerfenster verblassten, und in den zugefrorenen Lagerstraßen bildeten sich Spurrinnen. Das Jahr, das die Befreiung bringen sollte, begann schön. Dass der Krieg so gut wie vorbei war, bezweifelte inzwischen selbst niemand von der SS mehr. Die Frage war nur, ob die Häftlinge das erleben durften. Sie waren immerhin Zeugen. Ich auch, wenngleich auf eine ganz andere Art.
    Die Ankunft der Russen stand kurz bevor. Der Lärm des Artilleriefeuers kam immer näher. Wieder flogen Flugzeuge tief über das Lager, russische Maschinen – die Luftwaffe war nirgends mehr zu sehen. Es fiel eine Bombe, die mit einem Riesenknall explodierte. Deutsche Lastwagen verließen hastig das Lager. Über den Baracken stiegen schwarze Rauchschlieren in den Himmel. Auf dem Gang erfuhr ich von den Musikern, dass SS -Leute in panischer Hast Dossiers und Dokumente aus den Fenstern von Block 11 warfen, um sie im Innenhof zu verbrennen.
    Schlomo kam hereingestürmt. Keuchend stand er vor mir. »Holländer, die Deutschen organisieren einen Marsch! Sämt liche Häftlinge werden zusammengetrommelt. Nur die Kranken lässt man zurück. Nicht gut! Es bleibt keine Zeit mehr. Die Russen sind höchstens noch einen Tag vom Lager entfernt!«
    »Willst du dich verstecken?«, fragte ich.
    »Bald gibt es eine Blocksperre. Ein Informant hat mir das gesteckt. Sie werden alles durchsuchen, Holländer. Alles! Und Häftlinge, die sich versteckt haben, werden sofort erschossen. Sogar Kapos! Was wirst du tun?«
    »Ich schulde dir eine Flasche Wein.« Ich zog das Laken von meinem Bett, riss einen Streifen herunter und steckte den Stoff in meinen Hosenbund.
    Schlomo sah mich verständnislos an. »Eine Flasche Wein?«
    »Ich stand vor dem SS -Arzt, weißt du noch? Was hast du ihm im Tausch gegen mein Leben versprochen?«
    Er grinste. »Ach so, ja. Die Flasche hätte ich gern wieder. Ein roter Burgunder, ein Grand Cru von 1935.«
    »Dann komm jetzt mit!«
    Die Atmosphäre im Lager war angespannt. Zwei Armeelaster voller SS -Leute fuhren in halsbrecherischem Tempo in Richtung Außenlager. Gab es einen Aufstand?
    »Folge mir!«, sagte ich kurz angebunden.
    Wir liefen durch die Straßen des Lagers, manchmal beschleunigten wir unsere Schritte, bewegten uns aber möglichst nur im Schutz der Gebäude. Am Wegesrand lagen mehrere Leichen, stocksteif und mit aufgerissenen Mündern. Einige hatten Einschusslöcher im Kopf. Die Lage schien von Stunde zu Stunde chaotischer und gefährlicher zu werden.
    Im Außenlager herrschte, falls überhaupt möglich, ein noch größeres Chaos. Gearbeitet wurde nicht mehr. Viele Häftlinge stan den in Grüppchen zusammen, um die neuesten Gerüchte zu erfahren. Ich versteckte mich mit Schlomo unweit von Baracke 5, in der die Kohlen aufbewahrt wurden. An der Tür hing ein schweres Vorhängeschloss. Damit hatte ich gerechnet.
    Kapos trieben die Häftlinge in die Baracken. Hatte die Blocksperre bereits begonnen? Zwei Jungen weigerten sich und blieben stehen. Einer von ihnen wagte es sogar, einen Kapo beiseitezuschubsen. Er nahm die geänderten Machtverhältnisse vorweg, bloß war es für so etwas noch zu früh. Der Kapo blies in eine Trillerpfeife. Sofort erschienen vier, fünf SS -Leute mit Karabinern. Die Jungen hoben entsetzt die
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