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Das Kind der Talibanfrau

Das Kind der Talibanfrau

Titel: Das Kind der Talibanfrau
Autoren: Yair Nehorai
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Ariel
    gegen ein Käsesandwich.
    Der Müllcontainer ist fast leer
    wie immer am Dienstag
    gestern kam der große Müllwagen und hat alles mitgenommen.
    Montags ist es am besten
    obwohl ich kaum reinpasse
    er ist voller Sachen
    Geldbörsen aus Leder
    Tornister mit vielen Taschen
    grüne und rote und blaue Notizbuchdeckel
    alle Arten bunter Stifte
    Silberpapier von Schokoladentafeln.
    Einmal habe ich eine Taschenlampe gefunden
    und eine Uhr mit einer Kette.
    Kann kaum was sehen
    bald fängt das Abendgebet an
    ich werde Faigy ein rundes Stück Marmor mitbringen
    mit rosafarbenen Streifen.
    Ein Spielzeug.

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    Ich bin Moses
    stärker als die Wellen.
    Sie wollen mich ertränken
    klatschen auf meine Beine
    meinen Bauch
    ich bin stärker
    Beine fest im Sand.
    Alles ist blau
    nicht Himmel oder Wasser
    sondern alles in einem
    mit nur ein bisschen Weiß
    Schaum und Wolken.
    Ich bin der erste Mensch
    ganz allein auf der Welt
    ganz allein am Ufer
    mit Papa und meinem Bruder.
    Nur hier erlaubt es Mama
    keine Mädchen in Sicht
    nicht einmal in der Ferne
    nicht wie der Strand wo alle meine Freunde hingehen
    obwohl er für Männer und Frauen getrennt ist.
    Hier erlaubt sie es
    niemand zu sehen
    nur Blau
    und ein bisschen Weiß.

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    Will essen
    Wasch dir noch mal die Hände.
    Hab sie gewaschen
    dreimal
    Noch eine Segnung
    Wie oft noch?
    Will nicht essen
    hab keinen Hunger mehr.
    Zaddikim führen die einfachen guten Taten ebenso aus wie die schweren
    will kein Zaddik sein
    will was zu essen.
    Nie ist sie zufrieden
    nichts taugt
    ich wasche meine Hände
    noch mal
    trockne sie ab
    noch mal
    spreche das Tischgebet
    noch mal
    noch mal
    noch mal
    erst die rechte Hand
    dann die linke
    noch mal
    rechts links
    rechts links.
    Links rechts ist strengstens
    verboten.

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    Keine Mama mehr
    sie ist gegangen
    weg
    hat das neue Baby mitgenommen
    die Bücher
    die Kleidung.
    Sie wird nie zurückkommen
    nie.
    Papa ist schuld dass wir Waisen sein werden
    auf der Straße
    ohne Essen leben
    wie Schlemasl der Bettler.
    Sie schreit ihn an
    oft
    immer wieder
    dass er zum Schlagen einen Stock und einen Gürtel nehmen soll
    dass wir schlechte Kinder sind
    sie ist die Einzige die richtig erziehen kann
    schafft das nicht mehr.
    Plötzlich ist sie gegangen
    ohne ein Wort.
    Ich muss beten
    meine Hände waschen
    die Bibel studieren
    damit G-tt ihr sagt dass sie zurückkommen soll.
    Wir sind allein
    Mama wird nie zurückkommen
    nie.

Acht Jahre

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    Rosafarbene und rote Hosen
    kurze Hosen
    grüne und gelbe Unterhemden
    Strümpfe in allen Farben.
    Jeden Morgen dasselbe
    vor der Zehn-Uhr-Pause
    die halb-religiöse Frau steht auf dem Dach
    hängt die Wäsche auf.
    Sie ist arm
    hängt zerrissene Hosen auf
    sollte Buße tun
    zur Religion zurückfinden
    dann wird sie nur noch schöne Kleidung haben.
    Warum hat der Fisch den Propheten Jona verschluckt?
    Muss mich nicht melden
    Rabbi Gutman kann mich nicht sehen
    sie verdecken mich.
    Es ist gut dass ich mich auf den letzten Stuhl gesetzt habe
    neben das Fenster.
    Viele Vögel
    fliegen wie Pfeile
    ihrem Rabbi hinterher.
    Die zweite Klasse ist am besten
    im zweiten Stock
    kann man alles auf einmal sehen
    die halb-religiöse Frau beim Kleideraufhängen
    den Himmel
    die Vögel
    und die Strümpfe mit all den verschiedenen Farben.

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    Mama sieht alles
    auch wenn ich im Wohnzimmer bin und sie in der Küche ist
    auch wenn ich in der Synagoge bin und sie ist zu Hause
    auch wenn ich in der Bibelschule bin und sie im Lebensmittelladen ist
    auch wenn ich im Bad bin und die Tür zu ist
    auch wenn ich unter der Decke liege und sie schläft
    auch wenn ich im Sandkasten bin und sie ihren Schülern beibringt was sie nicht essen sollen
    auch wenn ich schlafe.
    Muss alle Mitzwot ausführen
    G-tt sieht alles
    Mama auch.

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    Ich bin abgehauen
    mitten drin
    als er mich umarmen wollte
    unter dem Baum
    im Park.
    Lügner
    hat Zartbitterschokolade mit Nüssen versprochen
    nur damit ich ihm den Weg aus dem Viertel zeige.
    Habe ihn von der Synagoge mitgenommen
    obwohl es schon nach dem Abendgebet war
    und dunkel.
    Er nahm immer wieder meine Hand
    fett
    Bart bis zu den Knien
    schwarze Kippa
    und Schläfenlocken zum Wäsche aufhängen.
    Im Park wurde er müde
    legte sich hin
    aufs Gras
    Komm her
    nimm die Schokolade.
    Schwindler
    zog mich auf seinen Bauch
    riesig
    ekelhaft.
    Ich bin weggelaufen
    Lügner
    keine Schokolade.

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    Ich bin ein Held
    das haben die Polizisten gesagt
    obwohl sie halb-religiös sind
    Unterdrücker
    die
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