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Das Kettenlädenmassaker

Das Kettenlädenmassaker

Titel: Das Kettenlädenmassaker
Autoren: Robert Rankin
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Dr. Stefan Malone in der Schule und beim Spielen geholfen. Ein weiterer Vorteil war, daß er einen würdevollen Eindruck machte. Was, wenn man es genau bedenkt, nur wenigen Leuten beschieden ist.
    In diesem Augenblick sah er besonders würdevoll aus, wie er im Hörsaal des Royal College of Physicians in Henley-upon-Thames auf dem Podium stand. Und er war würdevoll. Er besaß Haltung, er hatte Benimm, und er trug einen prachtvollen dreiteiligen grau-weiß karierten Boleskine-Tweedanzug mit einer zweireihigen Weste und einer aufgenähten Klappe auf der Uhrentasche und allem Drum und Dran. Tinker hatte so einen Anzug getragen, in Lovejoy, doch der war im traditionelleren Karo in Grün und Gelb gehalten gewesen.
    Dr. Stefan Malone sah aus wie eine Kapazität. Und er war auch eine. Eine Kapazität allerersten Ranges auf dem Feld der Biochemie. Die Spitze des Baumes. Die Zuckerglasur auf dem Kuchen der DNS-Transfersymbiose. Und das elfenbeinerne Mundstück auf dem verchromten Megaphon des Schicksals, wenn es um genetische Technologien ging. Außerdem war er sehr lieb zu seinem alten weißhaarigen Mütterchen, ein Großmeister dreiunddreißigsten Grades im Geheimen Orden des Goldenen Rosenkohls sowie Piercing-Enthusiast, der sich nicht nur eines Prince Albert rühmte, sondern darüber hinaus noch ein doppeltes Ampallang und Apadravya trug.
    Dr. Stefan nahm einen Schluck aus einem Glas mit flüssigem Ether und starrte aus seinen kühlen grauen Augen auf die Reihen von Studenten.
    »Und?« fragte er. »Was lernen wir aus diesen drei kurzen Geschichten?«
    Die Studenten erwiderten seinen Blick; keiner, so schien es, verspürte Neigung zu einem Kommentar.
    »Nun kommen Sie schon. Irgend jemand.« Dr. Stefan bemühte sich um ein ermutigendes Profil. Nach den Gesetzen der Statistik mußten ein paar Studenten zugehört haben. Und vielleicht waren sogar einige interessiert gewesen. Und vielleicht, ganz vielleicht, hatte einer auch verstanden, worum es ging.
    »Wirklich niemand?« Dr. Stefan starrte ein letztes Mal in die Runde. Sein Blick fiel auf einen jungen Mann mit einem Bart. Sein Name war Paul Mason, und er war im ersten Semester in Genetik eingeschrieben. Dr. Stefan streckte den Zeigefinger aus. »Mason, was ist mit Ihnen?«
    Die Augen des Burschen richteten sich auf den Tutor. »Mit mir, Sir? Warum?«
    »Was lernen wir aus diesen drei kurzen Geschichten, Mason?«
    »Daß wir unseren eigenen Augen nicht trauen sollen?«
    Dr. Stefan hob die grauen Brauen und senkte die vergilbten weißen Ohren (ein Trick, den er in Tibet gelernt hatte). Masons Augen machten blinzel, blinzel, blinzel. »Ich bin sehr beeindruckt, wirklich«, sagte Dr. Stefan. »Könnten Sie das bitte weiter erörtern?«
    Mason schüttelte den zottigen Kopf. »Ich denke, ich steige aus, solange ich am Gewinnen bin. Falls es Ihnen nichts ausmacht.«
    »Also schön. Aber bevor Sie das tun, verraten Sie mir eins: Waren es wahre Geschichten?«
    »Nun ja, die erste jedenfalls ganz bestimmt. Ich war nämlich der zottige Passant.«
    »Und die beiden anderen?«
    »Kann ich nicht sagen.«
    Dr. Stefan senkte die Augenbrauen und stellte die Ohren wieder auf. »Sonst noch jemand? Pushkin, wie steht es mit Ihnen?«
    Larry Pushkin, für ein weiteres Jahr auf Steuerzahlers Tasche und im übrigen ein Bursche, der genausogut der nächste Doktor wer? wie auch ein gewöhnlicher Arzt hätte werden können, bohrte mit einem Kuli in der Nase. »Ich möchte diesmal wirklich nichts sagen, Sir«, erwiderte er näselnd. »Ich glaube, eine Küchenschabe hat ihre Eier in meinen Nebenhöhlen abgelegt.«
    »Jemand sonst? Irgend jemand?«
    Wer sich angesprochen fühlte, schüttelte den Kopf. Die meisten fühlten sich nicht angesprochen und starrten leeren Blickes nach vorn. Doch dann ging irgendwo ganz hinten im Auditorium eine kleine Hand in die Höhe.
    »Wer ist das dort oben?« fragte Dr. Stefan blinzelnd.
    »Ich bin’s, Sir. Molekemp, Harry Molekemp.«
    »Oh, Molekemp. Das ist wirklich eine Ehre. Sie sind heute ziemlich früh aus Ihrem schönen warmen Bett geklettert, wie?«
    »Es ist Mittwoch, Sir. Die Vermieterin geht jeden Mittwoch mit dem Staubsauger durch mein Zimmer.«
    »Saumäßiges Pech. Und? Haben Sie einen gelehrten Kommentar abzugeben?«
    »Ja, das habe ich, Sir. Ich glaube Mason nicht. Sie haben die Hundestory in der ersten Person erzählt. Wenn Mason der Passant gewesen wäre, hätten Sie ihn bestimmt erkannt.«
    »Sehr gut. Nun, wenigstens haben Sie zugehört.«
    »O ja,
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