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Das Karpatenschloß

Das Karpatenschloß

Titel: Das Karpatenschloß
Autoren: Jules Verne
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denn die löbliche Poli-
    zei glaubt einmal nicht an das Walten der Hölle. So kamen
    — 262 —
    beide Männer zu dem Entschluß, die Burg lieber zu zerstö-
    ren, und jetzt warteten sie nur auf die Minute, dies zur Aus-
    führung zu bringen. Ein elektrischer Strom war vorbereitet,
    unter dem Wartturm versenkte Dynamitgeschosse zu ent-
    zünden, und ebensolche lagen unter den Bastionen und der
    alten Kapelle, während der zur Hervorbringung der Explo-
    sion bestimmte Apparat dem Baron von Gortz und seinem
    Gefährten noch Zeit lassen sollte, durch den Tunnel zum
    Rücken des Vulcans zu flüchten. Nach der Explosion, der
    der junge Graf ebenso wie eine Anzahl derjenigen, die etwa
    die Mauern des Schlosses erstiegen hatten, zum Opfer fal-
    len mußten, wollten beide so weit fliehen, daß niemand ihre
    Spur wieder entdecken konnte.
    Was Franz von diesem Gespräch vernommen, hatte ihm
    auch über die früheren Erscheinungen volle Aufklärung ge-
    bracht. Er wußte jetzt, daß zwischen dem Schloß und dem
    Dorf Werst eine telephonische Verbindung bestand. Ebenso
    blieb ihm nicht unbekannt, daß die Burg durch eine Ka-
    tastrophe zerstört werden sollte, die ihn das Leben kosten
    und den von Rotzko herbeigeholten Polizisten mindestens
    höchst gefährlich werden konnte. Er wußte endlich, daß
    dem Baron von Gortz und Orfanik dabei noch Zeit blieb
    zu fliehen, wobei sie gewiß die des Bewußtseins beraubte La
    Stilla mit fortschleppten.
    Ach, warum konnte sich Franz den Eingang zur Kapelle
    nicht erzwingen, um sich auf die beiden Männer zu stür-
    zen! Er hätte sie niedergeworfen, sein Messer in ihr Blut ge-
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    taucht, sie außerstand gesetzt, Unheil anzurichten – er hätte
    die furchtbare Zerstörung abgewendet!
    Was aber im Augenblick unmöglich blieb, das glückte
    ihm vielleicht noch nach dem Weggang des Barons. Wenn
    beide die Kapelle verlassen hatten, wollte Franz ihnen nach-
    eilen, sie bis an den Wartturm verfolgen und mit Gottes
    Hilfe an ihnen Gerechtigkeit üben.
    Schon bewegten sich der Baron von Gortz und Orfa-
    nik nach der Chorhaube zu. Franz verlor sie nicht aus dem
    Auge, um zu beobachten, durch welchen Ausgang sie ver-
    schwinden würden, ob durch eine in den Schloßhof füh-
    rende Tür oder auch zu einem unterirdischen Gang, der
    die Kapelle mit dem Wartturm verbinden mochte, denn es
    schien, als ob das mit allen Baulichkeiten der Burg der Fall
    wäre. Dem jungen Grafen war das übrigens gleichgültig,
    wenn er nur kein Hindernis vorfand, das ihm jedes weitere
    Vordringen verbot.
    Da wurden zwischen dem Baron von Gortz und Orfanik
    noch einige Worte gewechselt.
    »Hier ist also nichts mehr zu tun?«
    »Nein.«
    »Dann wollen wir uns trennen.«
    »Es ist also immer noch Ihre Absicht, im Schloß allein
    zurückzubleiben?«
    »Ja, Orfanik; Sie können sich sofort durch den Tunnel
    nach dem Vulcanrücken begeben.
    »Aber Sie?«
    »Ich weiche aus der Burg erst im letzten Augenblick.«
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    »Und es bleibt also dabei, daß ich Sie in Bistritz wieder
    erwarte.«
    »Jawohl, in Bistritz.«
    »So bleiben Sie, Baron Rudolph, bleiben Sie, da es Ihr
    Wille ist.«
    »Ja, ich will sie hören, will sie noch einmal hören in
    dieser letzten Nacht, die ich auf dem Karpatenschloß ver-
    bringe.«
    Bald darauf hatten der Baron von Gortz und Orfanik die
    Kapelle verlassen.
    Obwohl der Name La Stillas bei diesem Gespräch nicht
    erwähnt worden war, hatte Franz doch durchschaut, daß
    Rudolph von Gortz nur sie im Sinn gehabt haben konnte.
    16
    Das Verderben drohte nun in allernächster Zeit. Franz
    konnte den Baron von Gortz unmöglich abhalten, seine
    schwarzen Pläne auszuführen.
    Es war jetzt 11 Uhr nachts. Ohne Furcht, überrascht zu
    werden, nahm Franz seine Arbeit wieder auf. Die Mauer-
    steine der Wand lösten sich ziemlich leicht, deren Dicke war
    aber so bedeutend, daß eine halbe Stunde verging, bevor die
    Öffnung groß genug war, ihn hindurchschlüpfen zu lassen.
    Während Franz den Fuß in das Innere der allen Winden
    offenen Kapelle setzte, fühlte er sich doch durch die frische
    Luft wie neugeboren. Durch die Risse des Kreuzgewölbes
    und die klaffenden Fenster zeigte der Himmel leichte, vor
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    dem Nachtwind dahinsegelnde Wolken. Da und dort blitz-
    ten einige Sterne, die vor dem hellen Schein des über den
    Horizont aufsteigenden Mondes allmählich erblaßten.
    Jetzt ging es darum, die Tür zu entdecken, die sich in der
    Rückwand der Kapelle befinden mußte und durch die
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